
Die Cevennen sind bis heute eine einsame, arme Region. Um die Ernährung der Bevölkerung zu sichern, wurden bereits im Mittelalter gezielt Kastanien gepflanzt. Im 16. Jahrhundert war er zum vorherrschenden Baum der Bergregion geworden. Die “Brotbäume“ stillten nicht nur tagein, tagaus den Hunger der Gebirgler, sondern auch ihrer Tiere.
Gelagert wurden die Esskastanien in der „cleda“, zweistöckigen Speichern am Haus oder mitten im Hain, in denen bis zu zehn Tonnen Kastanien getrocknet werden konnten. Mehr als 200 Kastaniensorten wuchsen einst in den Cevennen. 1875 vernichtete die Tintenkrankheit große Bestände; in den 1950er-Jahren zerstörte der aus den USA eingeschleppte Rindenkrebs viele Bäume.
Brotbäume der Berge: Kastanien
Heute pflegt die Nationalparkverwaltung die alten Haine. Die Arme-Leute-Frucht hat längst als regionale Spezialität Karriere gemacht, das Holz als begehrtes Baumaterial. Alles wurde einst verwendet: Aus den Ästen entstanden Körbe, das Laub diente im Stall als Einstreu, die Maroni sogar in manchen Tälern als Zahlungsmittel.
Von der Wiege bis zum Grab begleitete die Kastanie das Leben der „Cevenol“ – und prägte ihre Sitten und Kultur. Beim „afachadas“, dem Rösten der Frucht, wurden am Feuer Geschichten erzählt. Liebespaare nutzten hohle Kastanienbäume als Briefkasten; während der Camisardenkriege hielten die Rebellen ihre konspirativen Treffen im Schutz der Kastanienhaine ab.
Esskastanie oder Marone?
Die Esskastanie wurde von der Dr. Silvius Wodarz Stiftung zum Baum des Jahres 2018 gewählt. Ihre Frucht ist kleiner, dunkler und runder als die Maroni. Die Maroni ist eine Weiterzüchtung der Esskastanie, ist herzförmiger und und hat einen intensiveren, süßlicheren Geschmack.
Goldrichtig für Seide: die Maulbeere
Als „Goldbaum“ galt der Maulbeerbaum, der die Cevennen im 18. Jahrhundert zum Zentrum der Seidenraupenzucht machte. Auf Grund mangelnder hygienischer Verhältnisse wurden die Seidenraupen jedoch bald von einer sich schnell ausbreitenden Fleckenkrankheit befallen. Als Louis Pasteur 1867 ein Gegenmittel fand, war es zu spät.
Die Industrie importierte bereits den Rohstoff für die Seidenherstellung aus China und Japan. Doch die Goldbäume schmücken bis heute mit großen Blättern die Dörfer der Berge. Verarbeitet wurde die Seide vor allem in Lyo. Dort hält eine Handvoll von “canuts” bis heute ihr Handwerk lebendig. Klickt mal hier!
Brotbäume & Goldbäume: die Infos
Museen
Der Esskastanienanbau, die Seidenraupenzucht und andere traditionelle Wirtschaftszweige der Cevennen dokumentiert auf drei Etagen das Musée Cévenol.
• 1, rue des Calquières, Le Vigan, Tel. 04 67 81 06 86, https://museecevenol-levigan.jimdo.com
Das Musée de la Soie erläutert nicht nur Geschichte und Technik der Seidenherstellung, sondern lädt ein, auch einmal selbst sich in der Seidenzucht zu versuchen – die Eier dazu werden Ende April verkauft und bei Bedarf auch per Post versandt.
• Place du 8 Mai, Saint-Hippolyte-du-Fort, Tel. 04 66 77 66 47, www.museedelasoie-cevennes.com
Die letzte Seidenspinnerei Frankreichs war bis 2017 im Loire-Tal aktiv.
Schlemmerei & Mitbringsel
Maronencreme
Die Kastanien sind wieder Brotbäume – ihr Mehl ist eine glutenfreie sowie basische Alternative zu herkömmlichem Weizenmehl. Ihre Frucht machte Clément Faugier zur Leckerei. 1882 erfand er ein industrielles Verfahren für die Herstellung der glasierten Maroni, die bereits am Hof von Ludwig XIV. sehr geschätzt waren.
Drei Jahre später kam er auf die Idee, wie er den Bruch nutzen könnte, der bei der Herstellung der glasierten Früchte entstand. Er ließ den Bruch zerkleinern, versetzte ihn mit Maronenmark, Konfiseriesirup, Zucker und Vanille – voilà: Die berühmte Crème Marrons de l’Ardèche war erfunden. Einst gab es sie nur in der berühmten Büchse, heute auch in kleinen Größen in der Tube.
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Mehr zu den Cevennen findet ihr hier.
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Sogar in Schleswig gab es diese Zeiten, zu denen die Seidenraupenzucht versucht wurde. Ein grosser Maulbeerbaum gegenüber vom Bahnhof trug noch in meiner Kindheit üppig die leckeren Früchte. Viele Jahrzehnte später durfte ich die auf meinen Reisen durchs Zentralmassiv wieder geniessen.
Ehrlich, Hanns, so weit im Norden? Ich staune! Alles Gute in die Heimat! Hilke