Entdeckungen in den Gorges de Galamus
Direkt hinter meinem zweiten Zuhause in Südfrankreich klettert im Tal des Agly eine schmale Landstraße die kalkigen Hänge hoch, die zu einer der schönsten Schluchten führt, die ich kenne: die Gorges de Galamus.
Als tiefer, schmaler Canyon verbindet sie die Départements Aude und Pyrénees-Orientales. Seit September 2021 ist die Schlucht eine der Top-Highlights des damals gegründeten Parc Naturel Régional Corbières-Fenouillèdes.
Schwindelerregende Verbindung
1884-1892 wurde auf den Spuren eines jahrhundertealten Saumpfades mit Dynamit im Fels Raum für die Straßenverbindung zwischen den beiden Départements geschaffen. Poeten wie Léonce Rives priesen den Meisterbau zur Eröffnung.
Dans ce roc pel´que troue la sabine
où l’aigle dans son vol osait seul à venir
Suspendu à une corde avec la barre à mine
L’homme comme l’oiseau a trouvé un cheminLéonce Rives (1892)
Seitdem sausen auf der schmalen, kurvigen Landstraße zwischen den historischen Regionen Corbières und Fenouillèdes die Einheimischen selbst mit Lieferwagen halsbrecherisch um die Kurven.
Regelmäßig kracht es in den Gorges de Galamus, denn der Gegenverkehr hat kaum eine Chance. Es gibt nur sehr wenige Ausweichstellen entlang der engen Passage zwischen den Felsen.
Seit 2016 ist die Schlucht für Reisebusse gesperrt. Auch Wohnmobilen und Wohnwagen ist die Durchfahrt verboten.
Zu Fuß oder per Rad zur Schlucht
Schöner ist es ohnehin, zu Fuß oder per Rad die Gorges de Galamus zu entdecken! In Saint-Paul-de-Fenouillet beginnt bei den Schrebergärten ein Wanderweg hinauf zur Schlucht.
Der Wanderweg trägt die Markierung des Sentier Cathare. Rot-weiß sind die Wegzeichen des Weitwanderweges, der zum Netzwerk der Grandes Randonnées gehört.
Für Mountainbiker gibt es hier einen Tipp für eine Tagestour samt GPS-Daten und Höhenprofil.
Aussichtsreicher Parkplatz
Wer mit dem eigenen Fahrzeug anreist, findet mit etwas Glück auf dem kleinen, aussichtsreichen Parkplatz am südlichen Eingang der Schlucht noch einen Stellplatz.
Dort verkauft seit der Saison seit 2016 ein kleiner Kiosk Kaffee, Ansichtskarten und Souvenirs. An der Schmalseiten des Pavillons befinden sich die Toiletten.
Zu Fuß zum Einsiedler
Am Parkplatz beim Südende der Schlucht weist ein verwittertes Holzschild den Weg zu einer Einsiedelei, die Ostern und Pfingsten Pilgerziel der Einheimischen ist – und im Sommer ganz romantisch beleuchtet wird. Seit 2016 ist die Eremitage Saint-Antoine täglich geöffnet.
Der junge Pächter hat im Innenhof ein kleines Café eingerichtet und verkauft Heiligenfiguren, Kerzen und das okzitanische Kreuz als Wandschmuck sowie Souvenirs und Postkarten. Auch eine Auswahl von Mineralien und Kristallen findet ihr hier! Im Ausschank sind kalte Getränke sowie Kaffee.
Die Grottenkirche
Von 1482 bis 1560 war die Einsiedelei im Besitz der Franziskaner. Seit dem 15. Jahrhundert haben hier Eremiten gelebt. Dort, wo eine Grotte Wasser barg, baute der erste Eremit eine Kirche in den Hang. Er weihte sie Saint-Antoine. Ihr findet den Heiligen als hohe Holzstele linker Hand in der Kirche.
Der heilige Antonius
Antonius gilt als Vater der Mönche. Ihn erkennt ihr am Schwein zu seinen Füßen. Antonius ist der Schutzpatron der Bauern und ihrer Nutztiere, aber auch der Schweinehirten und Metzger. Ringsum leben unzählige Wildschweine im Karstland.
Besonders sonntags werden sie gejagt. Den Winzern sind vor allem die Wildschweine ein Dorn im Auge. Trotz Elektrozäunen um die Weinberge gelingt es den Tieren immer wieder, kurz vor der Ernte ganze Kulturen abzufressen.
Auf den Spuren von Père Marie
Von 1482 bis 1560 gehörte die Grottenkirche den Franziskanern. Im Zuge der Französischen Revolution säkularisiert, gelangte sie in Staatsbesitz. Bis 1843 war sie verwaist. Dann jedoch wurde die Tradition des Eremitendaseins durch das Eintreffen des Franziskanermönches Père Joseph Chiron neu belebt.
Für die Einheimischen war er Père Marie. Sein Grab findet ihr am Weg zum Eingang zur Einsiedelei, in der er 1870 verstorben ist – erfroren, einsam und allein im kalten Winter 1870.
Hinein in die Grotte
Die Grotte hat sich seit 2016 zu einem Besuchermagneten entwickelt. Vom Großparkplatz am südlichen Eingang der Schlucht führt seit 2023 ein sentier botanique zur Ermitage, den der Heimatverein von Saint-Paul-de-Fenouillet angelegt hat.
Am Nordausgang führen Tunnel und Treppenwege zurück zur Straße. Für diese Runde zur Eremitage solltet ihr an reiner Wegzeit rund 30 Minuten rechnen. Wer mag, darf auf dem Freigelände die Glocke der Einsiedelei läuten!
Am Wegesrand könnt ihr frischen Rosmarin pflücken. Bitte reißt niemals die Wurzeln aus. Brecht einfach ein paar Stängel ab. Dann kann die Pflanze auch im nächsten Jahr wieder austreiben.
Geschützte Natur
Buchsbaum, Agaven und Rosmarin, der herrlich duftet, haben die zerfurchten Hänge erobert. Wilder Knoblauch wächst am Wegesrand. Zikaden zirpen, und die Sonnenhitze lässt die Luft flirren. Königsadler kreisen am Himmel. Schwarzdrosseln und Blaumerlen huschen zwischen Buchsbäumen umher.
Königsadler kreisen am Himmel. Mit etwas Glück könnt ihr auch einen Uhu sehen – oder Steinböcke, die über schwindelerregenden Fels klettern.
Pures Glück: Baden in den Gorges de Galamus
Tief unten im Tal gurgelt der junge Agly zwischen glatt polierten Felsen. Wie man da hinkommt? Geführte Canyoningtouren sind in der Saison eine Möglichkeit. Sie starten in Saint-Paul-de-Fenouillet beim Büro von Oxygène Aventure direkt am Fluss.
Erfrischende Gumpen
Tiefer die Schlucht hinein, fast schon an ihrem Ausgang gen Norden, parken plötzlich Motorräder und mit Dellen geschmückte Kleinwagen. Hinter der Leitplanke entdeckte ich einen fußbreiten Pfad, übersät mit Geröll und reichlich rutschig.
Er endete … direkt am Fluss, vor einer kleinen Kiesbank, auf der sich ein Männertrio sonnte. Zwei Frauen badeten im kühlen, klaren Naturpool, den der Agly hier geschaffen hatte. “ Un petit coin du paradis „, denke ich, Georges Brassens ganz plötzlich im Ohr.
Gorges de Galamus: meine Reisetipps
Entdecken & erleben
Seit 2003 wird während der Hauptsaison vom 7. Juli bis 31. August täglich von 13 bis 19 Uhr in der Schlucht ein Richtungsverkehr eingerichtet mit Ampeln. Es kann zu langen Wartezeiten kommen. Ist der Besucherandrang zu hoch, wird die Schlucht komplett für den Verkehr gesperrt.
An beiden Eingängen werden zusätzliche Stellplätze für Fahrzeuge eingerichtet. Wer nicht zu Fuß die Schlucht durchqueren möchten (ca. 1.7 km), kann den elektrisch betriebenen Shuttlebus nutzen.
Schlemmen & schlafen
Au Vieux Moulin
1073 betrieb Pétrus Adalberti eine Mühle am Agly, die bereits unter Karl dem Kahlen von den Mönchen der Abtei von Cubières um 840 angelegt wurde. Der Patron hat sie restauriert – und zeigt sie auf Wunsch!
Die mittelalterliche Mühle bildete früher die malerische Kulisse für einen Landgasthof. Seit 2022 wurde aus Altersgründen die Restauration eingestellt. Jetzt gibt es nur noch Sandwiches zum Getränk an der Bar. Direkt am Fluss beleuchten bunte Lämpchen abends die Barterrasse.
• 29-41, Au Vieux Moulin, 11190 Cubières-sur-Cinoble, Tel. 04 68 69 81 49, auf Facebook; nur Juni – September
Noch mehr Betten*
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Im Blog
Die Gorges de Galamus sind das bekannteste Naturjuwel des Fenouillèdes. Meine zweite Heimat im Süden stelle ich in diesem Beitrag ausführlich vor.
Mehr über den Agly-Fluss, der die Gorges de Galamus geschaffen hat, steht hier.
Alle Beiträge aus den Pyrénées-Orientales vereint diese Kategorie.
Im Buch
Ralf Nestmeyer, Languedoc-Roussillon*
Zwischen dem Delta der Camargue und den Gipfeln der Pyrenäen hat Ralf Nestmeyer nahezu jeden Strand gesehen, jede Stadt besucht, jedes Wehrdorf besichtigt – im Languedoc etwas intensiver, im Roussillon fokussiert er auf bekannten Highlights. Inzwischen ist der wohl beste Führer für diese wunderschöne Ecke Frankreichs 2024 in der 10. Auflage erschienen.
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Vielen Dank für die wertvollen Tipps! Wir waren heute nach der Wanderung durch die Schlucht beim Landgasthof Au Vieux Moulin. Leider bietet die Speisekarte neben Getränken mittlerweile nur noch belegte Baguettes und Pommes. Schade, aber ein wunderschöner Ort zum Rasten oder Übernachten.
Hallo Marcus, danke für das Update. Das ist ja schade! Ich weiß, dass der Inhaber nach zwei schwierigen Jahren einen Nachfolger sucht – vielleicht liegt es daran. Für die Einheimischen stellt er sich noch immer an der Herd. Daher wusste ich es nicht. Merci für diese wertvolle Info, die ich gleich integriert habe in den Beitrag. Ich kann Dir als Alternative in Saint-Paul-de-Fenouillet Le Petit Chapitre an der Place Saint-Pierre oder La Garrigue am östlichen Ortsausgang empfehlen, beide Küchen sind beständig gut und lokal. Bises, Hilke
Guten Abend!
Kommen Sie persönlich noch Mal in die Eremitage?
Ich habe eine Lösung zum Rätsel…nach 7 Jahren.
Bitte Mal melden…
Danke!
Mfg
Sandra 😀👍
Hallo Sandra, ja… bin da zurzeit fast täglich. Und jetzt natürlich neugierig! Viele Grüße, Hilke Maunder
Danke für den interessanten Bericht mit den schönen Fotos. Das wäre auch etwas für uns, die wir schon mehrere Schluchten in Frankreich durchwandert und durchfahren haben, wie im Luberon die Schluchten von Règalon und Veroncle, Verdon und in diesem Jahr die Tarnschlucht. Vielleicht im nächsten Jahr in die Galamus-Schlucht?!
Ich liebe solche Schluchten – Verdon, Daluis und Verdouble bin ich schon durchlaufen und durchfahren… Und auch hier solltet ihr das Badezeug einpacken!
Viele Grüße, Hilke
Ich will mal danke sagen für die tollen und interessant geschriebenen Berichte, die in mir jedes Mal die Lust machen, die Gegend selbst mal zu bereisen! Die Landschaft um St. Paul de Fenouillet sieht wunderschön und natürlich aus!
Da ich ja eh immer in der Nebensaison Urlaub mache, dürften dann ja auch nicht die großen Touristenmassen unterwegs sein.
Schönen Sommer,
und liebe Grüße,
Christel
Liebe Christel, danke für das Lob! Ja, die Gegend hier ist wunderschön! Und überhaupt nicht überlaufen in der Nebensaison – im Sommer tummeln sich hier die Wanderer, Kletterer und Mountain-Biker. Auf der Rückfahrt gen Norden werde ich ein paar Themen aus Ecken im Landesinnern einsammeln, die weniger bekannt sind. Und mal öfter dann auch wieder an die Atlantikküste schauen :-).
Viele Grüße!
Hilke