Nouméa: Detail einer "case" im Tjibaou-Kulturzentrum, Foto: Hilke Maunder
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Die cases der Kanaken

In cases genannten Hütten stellt das Tjibaou-Kulturzentrum von Nouméa die Kultur, Lebens- und Glaubenswelt der Kanaken vor. Sie sind die indigenen Bewohner Neukaledoniens.

„Freier Mensch“ heißt Kanake übersetzt. Doch das waren die ältesten Bewohner Neukaledoniens nach 1853 nicht mehr. Damals, genau am 24. September 1853, hatte Auguste Fevrier-Despointes die Inselgruppe für Napoleon III. in französischen Besitz genommen. 1878 zog der bislang größte Kanaken-Aufstand Neukaledoniens Enteignung und Deportation nach sich.

Verdrängt und ohne Rechte

Die Kanaken wurden von den Küsten ins Landesinnere abgedrängt. Erst 1953 erhielten sie französische Bürgerrechte. 1985 gründete Jean-Marie Tjibaou die Kanakische sozialistische Front der nationalen Befreiung (FLNKS).

Die Unruhen, die folgten und dafür sorgten, dass radikale Separatisten der FLNKS den eher besonnene Führer der FLNKS sowie Yeiwéné Yeiwéné 1989 auf Ouvéa ermordeten, heißen in Neukaledonien offizielle les évènements. Die Kanaken sprechen von der damaligen Zeit als Bürgerkrieg.

Nouméa: Ausstellung in der 1. case des Tjibaou-Kulturzentrums. Foto: Hilke Maunder
Ausstellung in der ersten case des Tjibaou-Kulturzentrums. Foto: Hilke Maunder

Hervorragendes Kulturzentrum

Neun Jahre nach Tjibaous Ermordung wurde ein Kulturzentrum auf Grande-Terre am Rande der Hauptstadt Nouméa eröffnet, das erstmals die Kultur der Kanaken vorstellt.

Die acht Hektar Land, auf denen die Anlage in der Nähe des Inlandsflughafen Magenta entstand, stellte die Stadt kostenlos bereit. Für den Bau stellte der französische Staat sechs Milliarden französische Franc zur Verfügung und bestimmte Renzo Piano zum Architekten.

Nouméa: Tjibaou-Kulturzentrum. Foto: Hilke Maunder
Das Tjibaou-Kulturzentrum. Foto: Hilke Maunder

Renzo Piano wählt als Vorbild die traditionellen cases der Kanaken. Die Rundhütten aus Holz und Palmwedeln unterscheiden sich zwar lokal in der Höhe ihrer Dächer, doch die Bauart ist stets ähnlich.

Der Italiener inszenierte sie als cases modernes sur un rêve d’avenir, moderne Rundhütten, die auf einem Zukunftstraum fußen.

Nouméa: Tjibaou-Kulturzentrum. Foto: Hilke Maunder
Das Tjibaou-Kulturzentrum. Foto: Hilke Maunder

Dialog von Epochen, Kulturen, Materialien

Die Verbindung von Alt und Neu schaffen die Materialien. Das Holz steht für die Vergangenheit, der Stahl für die Zukunft und die Moderne. Das Holz wurde aus Ghana geholt, da die Bäume dort ähnliche Eigenschaften wie die neukaledonischen Houp-Bäume besitzen. Im Elsass wurde alles vorgefertigt, dann nach Nouméa verschifft und aufgebaut.

Nouméa: Die "case" des Häuptlings im Tjibaou-Kulturzentrum, Foto: Hilke Maunder
Die case des Häuptlings im Tjibaou-Kulturzentrum, Foto: Hilke Maunder

Die höchste case erhebt sich dort 28 Meter hoch – und ist damit Symbol für die 28 Sprachen der Kanaken. Wie einst, werden alle Ausstellungs-Hütten natürlich durch den Wind gekühlt. Hinzu kommt ein Außengelände.

Ein Lehrpfad – der Chemin Kanak – stellt mit fünf Stationen den Lebensraum und die Arbeitswelt der Kanaken, ihr Denken und Fühlen vor. Dass sie an die Wiedergeburt glauben, erfahrt ihr an der fünften Station.

Nouméa: Die Kanakin Tika vor der Häuptlingshütte im Tjibaou-Kulturzentrum, Foto: Hilke Maunder
Die Kanakin Tika vor einer case im Tjibaou-Kulturzentrum. Foto: Hilke Maunder

Die Vielfalt der cases

Ebenfalls open-air könnt ihr eine typische Rundhütte eines Häuptlings aus dem Norden sowie ihren flacheren Gegenpart aus dem Süden sowie ein drittes Gebäude aus Palmwedeln von den Loyalitätsinseln besichtigten. Die cases nutzen die Kanaken nur zum Schlafen.

Diese case auf Ouvea könnt ihr besichtigen! Foto: Hilke Maunder
Diese case auf Ouvéa könnt ihr besichtigen. Foto: Hilke Maunder

Gekocht und gewaschen, gearbeitet und gelebt wird außerhalb der Rundhütten. Vor den Gebäuden erheben sich zahlreiche hohe, geschnitzte Wächterfiguren.

Eine holzgeschnitzte Wächterfigur von der "case" des Häuptlings. Foto: Hilke Maunder
Eine holzgeschnitzte Wächterfigur vor der case des Häuptlings. Foto: Hilke Maunder

Auch die niedrigen Eingänge zu den cases und den Hauptbaum im Innern und die Balken der Wände schmücken Schnitzereien.

Nouméa: Im Innern der "case2 des Häuptlings. Foto: Hilke Maunder
Im Innern der case des Häuptlings. Foto: Hilke Maunder

Durch die Anlage könnt ihr euch von indigenen Guides wie Maria Francesca „Tika“ führen lassen. Sie läuft mit euch auch hoch zur monumentalen Statue von Jean-Marie Tjibaou, der neben der Anlage sich auf einem Hügel erhebt.

Von dort habt ihr tolle Ausblicke auf das Kulturzentrum und die Tina-Halbinsel mit ihrer Mangrovenküste!

Für Schulklassen gibt es neben Erlebnisprogrammen auch Unterkünfte in einem modernen Bau etwas abseits vom eigentlichen Museum, das mit Konzerten, Festivals und anderen Events die Kultur der Kanaken lebendig werden lässt. Meine Wertung: unbedingt ansehen!

Nouméa: Die Kanakin Tika führte uns durch das Tjibaou-Kulturzentrum, Foto_ Hilke Maunder
Die Kanakin Tika führte uns durch das Tjibaou-Kulturzentrum. Foto: Hilke Maunder

Die cases von Tjibaou: meine Reisetipps

Adresse & Zeiten

Tjibaou Centre Culturel (TCC)

BP 378, 98845 Nouméa. Tel. +687 41 45 45, www.adck.nc, tgl. Di. – So. 9 – 17 Uhr, Führungen: Di. – So. 10, 14.30 Uhr; Eintritt

Hinkommen

Das TCC liegt auf der Tina-Halbinsel, und in nächster Nähe vom Tina-Golfplatz und dem Inlandsflughafen Nouméa-Magenta. Linie 40 des Stadtbusunternehmens Karuïa bringt euch dorthin.

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Im Blog

Mein Neukaledonien-Special

Zur Einführung: Frankreich in der Südsee

Die Hauptstadt: Nouméa erleben: die Hauptstadt-Highlights

Nouméa: Die cases der Kanaken

Anse Vata: Das Longchamp von Nouméa 

Îlot Maître: Die Spielwiese von Nouméa

Grande Terre: Der wilde Westen von Grande Terre

Grande Terre: PNR Rivière Bleue: das große Stauen

Île des Pins: Fast ein Paradies

Ouvéa: Bei den Kanaken

Neukaledonien: Das dürft ihr nicht verpassen!

Im Buch

Joseph Andras_KanakyJoseph Andras, Kanaky*

Dreimal hat bereits die südpazifische Inselgruppe Neukaledonien über ihre Unabhängigkeit von Frankreich abgestimmt. Bei jeder Abstimmung überwog knapp die Zustimmung zum Verbleib beim fernen Mutterland. Einer der führenden Figuren der kanakischen Unabhängigkeitsbewegung war Alphonse Kahnyapa Dianou.

Er gehörte zu den Anführern, die den Angriff militanter Kanak-Nationalisten auf die Gendarmerie von Fayaoué in Ouvéa am Freitag, dem 22. April 1988, geplant hatten. Die Aktion misslang. Sie führte zum Tod von vier Gendarmen, gefolgt von der Geiselnahme der anderen Gendarmen.

Alphonse Dianou und sein Bruder Hilaire flohen in den Norden und fanden schließlich Zuflucht in der „heiligen“ Höhle von Wateö, nicht weit vom Stamm der Gossanah entfernt. Dreizehn Tage später, am 4. Mai 1988, startete die Elite der Streitkräfte ihren Angriff, bei dem Dianou ums Leben kam. Seitdem ranken sich die widersprüchlichsten Legenden um dessen Tod.

Joseph Andras beginnt nachzuforschen. Er reist an den Ort des Geschehens, trifft Dianous Witwe, Vertraute und Zeitzeugen. Die Erzählung beruht auf Aussagen der Kanak und stellt ihr Wort in den Mittelpunkt des Buches. Es besteht aus einem doppelten Erzählrahmen: 45 Kapitel berichten über die Suche anhand von Zeugenaussagen und werden von 14 chronologischen Sequenzen unterbrochen, die den Ablauf des Angriffs und der Geiselnahme vom 22. April bis zur Erstürmung der Höhle am 5. Mai 1988 rekonstruieren.

Die Sequenz der 13 Tage der Ereignisse (22. April bis 5. Mai) verwebt die Wiedergabe der Zeugenaussagen aus den 45 Kapiteln. Die Wahl der Komposition verleiht der Erzählung Intensität und Dichte. Der Schreibstil ist eng an die Realität angelehnt.

Seine Notizen, Gespräche und Begegnungen verbindet Andras zu einem fesselnden Text, der in den Kern eines hier nur wenig bekannten Konflikts dringt. Andras erzählt vom Widerstand gegen die Kolonialmacht, von einer verdrängten Kultur und von einem Land, zerrissen im Kampf für einen unabhängigen Staat: Kanaky. Wer mag, kann den Doku-Roman hier* bestellen.

Birgit Weidt: Das Lächeln der Vergangenheit

Birgit Weidt, Das Lächeln der Vergangenheit*

Eine Maske aus Holz, die ihr Großvater einst aus Neukaledonien mitgebracht hatte, wird zum Auslöser für eine Reise, bei der Birgit Weidt nicht nur die Kultur der Kanaken von Neukaledonien, sondern auch sich selbst besser kennenlernen.

Die freie Journalistin, die u.a. für DIE ZEIT schreibt, lernt auf Grande Terre den Stammeshäuptling Bergé Kawa kennen, der ihr gestattet, in seiner Dorfgemeinschaft mit ihren Ritualen, Ahnen, Geistern und Traditionen kennenzulernen. Dort lernt sie, warum man fremden Menschen nicht in die Augen sehen soll und warum Frauen ihre Altersfalten wie Schmuck zur Schau tragen.

Das Leben der Ureinwohner im Einklang mit der Natur: Mit ihrem Taschenbuch seid ihr hautnah mit dabei. Wer mag, kann den Band hier* online bestellen.

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Offenlegung

Neukaledonien entdeckte ich auf einer Pressereise, die ATOUT France mit ihren Partnern Nouvelle-Calédonie Tourisme, Air France und Aircalin organisiert hatte. Ihnen allen sage ich dafür merci und herzlichen Dank. Einfluss auf meine Blogberichte hat dies nicht. Ich berichte subjektiv, wie ich es erlebt habe, mache kein Merchandising und werde erst recht nicht für meine Posts bezahlt.

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Wilde Westen: Eine typische Rundhütte der Kanaken an der Westküste. An der Domaine de Deva könnt ihr sie besichtigen. Foto: Hilke Maunder
Eine typische Rundhütte der Kanaken an der Westküste. Auf der Domaine de Déva könnt ihr sie besichtigen. Foto: Hilke Maunder

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