Die Seine in Paris bei der Île Saint-Louis (r.). Foto: Hilke Maunder
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Frankreichs Flüsse: Jedem die Seine

Als zweitlängster der französischen Flüsse durchquert die Seine 13 Departements und 400 Gemeinden. Ihre beiden Ufer in Paris, der Stadt des Lichts, gehören zum Welterbe.  79.000 Quadratkilometer groß ist ihr Einzugsgebiet – und versorgt fast 30 Prozent der französischen Bevölkerung. Das ist Landesrekord!

Réinventer la Seine

Doch der Seine geht es schlecht. Besonders an ihrem wirtschaftlich intensiv genutzten Unterlauf. Nach dem Erfolg des internationalen Wettbewerbs „Réinventer Paris“ wurde daher der Wettbewerb „Réinventer la Seine“ als Aufruf zu innovativen Projekten gestartet. 40 Standorte an den Ufern des Flusses und seiner  Kanäle haben ihre Ideen inzwischen dazu beigetragen und erste Projekte umgesetzt. Das Ziel: die gemeinsame Aufwertung des Tales zwischen Paris und Le Havre.

Die Quelle der Seine in Burgund. Foto: Hilke Maunder
Die Quelle der Seine in Burgund. Foto: Hilke Maunder

Geboren in Burgund

Die Seine entspringt im Département Côte-d’Or auf einer Höhe von 452 Metern und fließt 777 Kilometer lang nach Norden und Westen. Am Ende dieser Reise ergießt sie sich mit einer 16 Kilometer langen Trichtermündung zwischen Le Havre und Honfleur in den Ärmelkanal.

Seine-Quellen: die Pont Paul Lamarche - die erste Brücke über die Seine. Foto: Hilke Maunder
Der Pont Paul Lamarche ist die erste Brücke über den Fluss. Foto: Hilke Maunder

Ihren Namen verdanke sie der Sequana, einer Göttin der keltisch-gallischen Kult. Diese Nymphe beschützte in der Antike ihre Wasser und verlieh ihnen zwei legendäre Kräfte: die Gabe der Heilung und die Macht, Wünsche zu erfüllen.

Ein Binnenschiff hat am Kai von Bray-sur-Seine festgemacht. Foto: Hilke Maunder
Ein Binnenschiff hat am Kai von Bray-sur-Seine festgemacht. Foto: Hilke Maunder
Dieser Binnenschiffer von Bray-sur-Seine hat sichtlich Fernweh. Foto: Hilke Maunder
Dieser Binnenschiffer hat sichtlich Fernweh. Foto: Hilke Maunder

Seit der Prähistorie siedeln Menschen an ihren Ufern. Vor gut 6000 Jahren wurden die ersten hölzernen Pontons und Steinmauern an ihren Ufern erbaut. Handel und Marktwesen ließen die Uferorte erblühen.

Die Markthalle von Bray-sur-Seine.Foto: Hilke Maunder
Die Markthalle von Bray-sur-Seine. Foto: Hilke Maunder

Herrliche Herrschaftssitze

Im Mittelalter entstanden in der Nähe des Flusses Herrschaftssitze wie Bercy, Conflans, Choisy. Und La Motte-Tilly. Bei Nogent-sur-Seine erbaute der Abt Terray als Minister von König Louix XV diesen Landsitz ganz im Zeichen der Aufklärung als elegantes Schloss mit Backstein und Sandstein.

Das Château de La Motte-Tilly bei Nogent-sur-Seine. Foto: Hilke Maunder
Das Château de La Motte-Tilly bei Nogent-sur-Seine. Foto: Hilke Maunder

Ein grünes Juwel ist sein Schlosspark mit seinem französischen und englischen Garten: hier strenge Formen, Skulpturen und ein Wasserspiegel, der das Anwesen spiegelt, dort „ursprüngliche“ Natur, nur sanft vom Menschen gestaltet. 60 Hektar groß ist dieses grüne Reich, das als „bemerkenswerter Garten“ ausgezeichnet ist – und schon alleine einen Besuch wert ist!

Die Sichtachse zur Gartenseite leitet den Blick zum großen Wasserspiegel. Dahinter fließt die Seine Foto: Hilke Maunder
Die Sichtachse zur Gartenseite leitet den Blick zum großen Wasserspiegel. Foto: Hilke Maunder

Schwieriges Navigieren

Als Paris zur Handelsstadt und zum Zentrum der königlichen Verwaltung aufstieg, war die Navigation auf der Seine noch ein schwieriges Unterfangen. Boote, von Stangen geschoben oder von Tieren gezogen, brachten die Waren vom Lande in die Stadt. Unglücke waren an der Tagesordnung. Die Fährleute konnten meist nicht schwimmen. Die Strömung war stark, die Ufer nicht befestigt.

Melun: an der Seine. Foto: Hilke Maunder
Hausboot-Idylle in Melun. Foto: Hilke Maunder

Fatale Hochwasser

Mehr als 60 Mal trat die Seine zwischen 576 und 2016 über die Ufer. Viele Städte hat sie überflutet. 1658 stieg der Strom in zehn Tagen um mehr als 8.62 Meter an.

Ende Januar 1910 ließ das zweitgrößte bekannte Hochwasser der Seine in Paris 22.000 Keller und die Hälfte des Métronetzes mit Wasser und Eis volllaufen. Zehntausende unterirdische Abwassergruben, die damals noch nicht an die  Kanalisation angeschlossen waren, wurden geflutet.

Die Pont Neuf erreicht die Île de la Cité an ihrer Westspitze. Foto: Hilke Maunder
Der Pont Neuf mit der Île de la Cité. Foto: Hilke Maunder

Ab Mitte des 18. Jahrhunderts wurden zahlreiche Arbeiten unternommen, um den Fluss schiffbar zu machen. Das Flussbett wurde ausgegraben. Die gefährlichen Furten von Rouen und Paris wichen Schleusendämme. Nach und nach ersetzten Brücken die meisten Fähren.

Bacs de la Seine: der Fährmann. Foto: Hilke Maunder
Ein Fährmann der Bac de Seine. Foto: Hilke Maunder

Die Bac de Seine indes verkehren bis heute und pendeln auf acht Passagen zwischen dem rechten und linken Flugufer hin und her. Hier habe ich die kostenlosen Shuttleschiffe vorgestellt.

Pont de Brotonne: MS Seine Comtesse passt lässig hindurch - nicht so bei den Pariser Brücken. Foto: Hilke Maunder
Der Pont de Brotonne bei Caudebec-en-Caux. Foto: Hilke Maunder

Tödliche Wellen

Doch noch bis in die 1960er-Jahre fürchteten sich die Menschen am Unterlauf vor dem mascaret, der riesigen Gezeitenwelle der Seine-Mündung. Mehr als zwei Meter hoch rollte die Welle mit hoher Geschwindigkeit den Fluss hinauf und riss alles mit, was sich ihr in den Weg stellte.

Seine-Comtesse-Kreuzfahrt. Frühnebel bei Caudebec-en-Caux. Foto: Hilke Maunder
Frühnebel bei Caudebec-en-Caux. Foto: Hilke Maunder

Nicht selten wurden unvorsichtige Zuschauer von den Wassermassen mitgerissen, wenn sie versuchten, das Geschehen vom Kai aus zu beobachten. Doch seit dem Aufstauen der Flussmündung ist dieses spektakuläre Phänomen verschwunden.

Caudebec-en-Caux: das Seine-Museum liegt direkt am Kai. Foto: Hilke Maunder
Von tödlichen mascarets und anderen Besonderheiten des Flusses berichtet in Caudebec-en-Caux dieses Museum. Foto: Hilke Maunder

Schiffe vs. Laster

Erst Mitte des 20. Jahrhunderts war  der Seine-Lauf so gesichert, dass die Binnenschifffahrt sicher war. Doch da konkurrierte bereits die Straße mit der Schifffahrt, und ab den 1970er-Jahren ersetzen zunehmend Lastwagen die Binnenschiffe.

Der Hafen von Rouen. Foto: Hilke Maunder
Der Hafen von Rouen. Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Doch noch immer werden 40 Prozent der nationalen Flussfracht auf der Seine befördert. Sie ist bis Nogent-sur-Seine  auf einer Länge von 560 Kilometern schiffbar.

Seeschiffe können die Seine bis Rouen befahren, und damit rund 80 Kilometer weit ins Landesinnere gelangen. Rouen und die beiden anderen großen Häfen Paris und Le Havre werden gemeinsam als HAROPA verwaltet.

Die Hafeneinfahrt von Le Havre. Foto: Hilke Maunder
Die Hafeneinfahrt von Le Havre. Foto: Hilke Maunder
Le Havre ist ein wichtiger Petroleumhafen. Foto: Hilke Maunder
Le Havre ist ein wichtiger Petroleumhafen. Foto: Hilke Maunder

Ein neuer europäischer Kanal

Ein gigantisches europäisches Großprojekt ist der geplante Canal Seine-Nord Europe (CSNE). Er soll künftig das Seine-Becken mit der Schelde verbinden. Der 106 Kilometer lange Kanal wird die Oise an den Dünkirchen-Schelde-Kanal anbinden, und zwar von Compiègne bis Aubencheul-au-Bac in der Nähe von Cambrai.

Ein Binnenschiff bei Mesnil-sous-Jumièges. Foto: Hilke Maunder

Bis zu 185 Meter lange Binnenschiffe, die die Ladung von 220 Lastwagen aufnehmen können, sollen ihn künftig bewahren. Die Vorarbeiten zum Kanalbau haben 2017 begonnen.

Nicht nur für die Handelsschifffahrt, sondern auch für den Tourismus ist der Fluss ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. 125 Unternehmen bieten Fahrten auf der Seine in der Region Île-de-France an, weitere drei in der Normandie. Das sorgt alljährlich für Einnahmen von rund 130 Millionen Euro.

Hingucker bei jeder Seine-Fahrt: die Kathedrale Notre-Dame de Paris. Foto: Hilke Maunder
Hingucker bei jeder Seine-Fahrt: die Kathedrale Notre-Dame de Paris. Foto: Hilke Maunder

Trinkwasser für die Hauptstadt

Zusammen mit den Flüssen Oise und Marne trägt die Seine gut 40 Prozent zur Trinkwasserversorgung der Île-de-France bei. Eau de Paris liefert Trinkwasser an drei Millionen Menschen in der Hauptstadtregion. Die Abwässer reinigt das Syndicat Interdépartemental pour l’Assainissement de l’Agglomération Parisienne (SIAAP) – täglich 2,5 Millionen Kubikmeter von 9 Millionen Menschen.

Sauberer Strom

Nur recht wenig erschlossen ist bislang das Potenzial zur sauberen Stromerzeugung durch Wasserkraft. Im Jahr 2016 starteten die Voies navigables de France (VNF) eine Reihe von Kleinwasserkraftwerksprojekten, um die Fallhöhen von Dämmen oder Schleusen an den Flüssen Seine, Marne und Oise zu nutzen.

Seit 2022 decken die ersten zehn Kleinkraftwerke mit einer Leistung von 58.000 MWh pro Jahr den Stromverbrauch von 22.000 Haushalten decken.

Um die  Überschwemmungen im Winter zu mildern und den Durchfluss der Flüsse in Trockenzeiten zu unterstützen, wurden im 20. Jahrhundert vier große Stauseen mit einem Fassungsvermögen von 800 Millionen Kubikmeter Wasser aufgestaut. Sie betreibt das Etablissement public de bassin Seine Grands Lacs.

Schlechtes Grundwasser

Getreideanbau im Seinetal. Foto: Hilke Maunder
Getreideanbau im Seinetal. Foto: Hilke Maunder

Die intensive landwirtschaftliche Bewirtschaftung des Pariser Becker hat massiv die Qualität des Grundwassers beeinträchtigt. Nur 28 Prozent des Grundwassers ist noch gut. Der Getreideanbau, der in den 1950er-Jahren begann, hat das Grundwasser mit Düngemitteln und Pestizide vergiftet.

Schuld am schlechten Grundwassern sind die nur teilweise geklärte Abwassereinleitungen zurückzuführen, die Lösungsmittel, Medikamente und  Schwermetalle ins Grundwasser spülen.

Die versiegelten Böden der Städte spülen schließlich zusätzlichen Schmutz in die Seine. Bei Starkregen sind die Abwassersysteme rasch gesättigt. Mit schwimmenden Absperrungen fängt die SIAPP 26 flussabwärts treibenden Abfall ein.

Ebenfalls im Fluss befinden sich Überlebensinseln der SIAPP. Ihr Sauerstofftank wird geöffnet, wenn bei  schweren Stürmen oder heißem Sommerwetter die Seine nicht mehr genug Sauerstoff birgt.

Saubere Flüsse

Ein Reiher am Ufer der Seine. Foto: Hilke Maunder
Ein Reiher am Ufer der Seine. Foto: Hilke Maunder

Die verstärkten Umweltanstrengungen, die im Schéma directeur d’aménagement de la gestion de l’eau (SDAGE) festgelegt sind, hat  die Wasserqualität in den letzten Jahren stetig verbessert. Seit 1970 ist die Anzahl der Fischarten, die in der Seine und ihren Zuflüssen leben, von 3 auf 32 gestiegen.

Schwäne im Abendlicht - auf der Seine vor Rouen. Fotos: Hilke Maunder
Schwäne im Abendlicht – auf der Seine vor Rouen. Fotos: Hilke Maunder

Zwischen 2013 und 2018 wurden im Seine-Normandie-Becken fast 500 Dämme entfernt, um die Bewegung von Fischen und Sedimenten zu verbessern. 4.500 Kilometer Wasserwege wurden restauriert. Dort sind Forellen, Lachse und Drachenkopfartige wie der Rotbarsch zurückgekehrt.

Die Kalkfelsen der Seine im Abendlicht. Foto: Hilke Maunder
Die Kalkfelsen der Seine im Abendlicht. Foto: Hilke Maunder

Die Rettung der Seine begleitet seit drei Jahrzehnten die interdisziplinäre Forschungsgruppe PIREN Seine. 20 Forschungsteam aus ganz Frankreich in so unterschiedlichen Bereichen wie Hydrologie, Geochemie, Mikrobiologie, Humangeografie und Geschichte gehören ihr an.

Seine Comtesse-Kreuzfahrt. Typisch normannisch: die Häuser am Seine-Ufer. Foto: Hilke Maunder
Typisch normannisch: die Häuser am Seine-Ufer zwischen Rouen und La Roche-Guyon. Foto: Hilke Maunder

In enger Kooperation mit GIP Seine-Aval, das die Seine im Mündungsbereich wissenschaftlich begleitet, und OPUR als Überwacher der Wasserqualität im urbanen Raum, hat sie ein enges Netz geschaffen.

Es schlägt sofort Alarm, wenn sich die Wasserqualität der Seine verschlechtert. Und Lösungsvorschläge erarbeitet hat, die lokal vor Ort und im gesamten Einzugsbereich die Zukunft der Seine sichern sollen. Die Seine atmet langsam wieder auf.

Abendstille auf der Seine bei Rouen. Foto: Hilke Maunder
Abendstille auf der Seine bei Rouen. Foto: Hilke Maunder

Die Seine erleben

Per Rad

Seit 2022 ist die 430 Kilometer lange Radwanderroute La Seine à vélo von Paris bis nach Le Havre oder alternativ via Honfleur bis nach Deauville komplett fertiggestellt. Auf  Fahrradwegen und voies vertes, verkehrsberuhigten Landstraßen, geht’s mit nur wenigen Steigungen durch eine der schönsten Kulturlandschaften Frankreichs.
www.laseineavelo.fr

Troyes: Radwege an der Seine. Foto: Hilke Maunder
Immer an der Seine entlang – oder hin zu den Seen des Forêt d’Orient? Foto: Hilke Maunder

Dem Lauf der Seine könnt ihr per Rad jedoch schon eher folgen. Das Département Aube hat dort Radwege angelegt. Ein guter Startpunkt ist Troyes.

Auf dem Wasser

Sehr beliebt sind auch Flusskreuzfahrten , die ebenfalls in Paris beginnen und für seetaugliche Schiffe in Le Havre, sonst in Caudebec-en-Caux enden. Ich durfte den Törn mit Nicko Cruises einmal testen. Mein Fahrbericht nimmt euch hautnah mit auf eine wunderschöne Reise.
https://meinfrankreich.com/kreuzfahrt-kunst-seine-comtesse

MS Seine Comtesse am Kai von Javel. Foto: Hilke Maunder
MS Seine Comtesse am Kai von Javel. Foto: Hilke Maunder

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Im Blog

https://meinfrankreich.com/unterlauf-seine/

Im Buch

Roadtrips FrankreichRoadtrips Frankreich*

Das zweite gemeinsame Werk mit Klaus Simon stellt euch die schönsten Traumstraßen zwischen Normandie und Côte d’Azur vor. 14 Strecken sind es – berühmte wie die Route Napoléon durch die Alpen oder die Route des Cols durch die Pyrenäen, aber auch echte Entdeckerreisen wie die Rundtour durch meine Wahlheimat, dem Fenouillèdes.

Von der Normandie zur Auvergne, vom Baskenland hin zu den Stränden der Bretagne und dem wunderschönen Loiretal laden unsere Tourenpläne ein, Frankreich mobil zu entdecken – per Motorrad, im Auto, Caravan oder Wohnmobil. Hier* gibt es das Fahrtenbuch für Frankreich!

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