
Als zweitlängster der französischen Flüsse durchquert die Seine 13 Departements und 400 Gemeinden. Ihre beiden Ufer in Paris, der Stadt des Lichts, gehören zum Welterbe. 79.000 Quadratkilometer groß ist ihr Einzugsgebiet – und versorgt fast 30 Prozent der französischen Bevölkerung. Das ist Landesrekord!

Geboren in Burgund
Die Seine entspringt im Département Côte-d’Or auf einer Höhe von 452 Metern und fließt 777 km lang nach Norden und Westen. Am Ende dieser Reise ergießt sie sich mit einer 16 Kilometer langen Trichtermündung zwischen Le Havre und Honfleur in den Ärmelkanal.

Ihren Namen verdanke sie der Sequana, einer Göttin der keltisch-gallischen Kult. Diese Nymphe beschützte in der Antike ihre Wasser und verlieh ihnen zwei legendäre Kräfte: die Gabe der Heilung und die Macht, Wünsche zu erfüllen.

Seit der Prähistorie siedeln Menschen an ihren Ufern. Vor gut 6000 Jahren wurden die ersten hölzernen Pontons und Steinmauern an ihren Ufern erbat. Im Mittelalter entstanden in der Nähe des Flusses Herrschaftssitze wie Bercy, Conflans und Choisy.

Schwieriges Navigieren
Als Paris zur Handelsstadt und zum Zentrum der königlichen Verwaltung aufstieg, war die Navigation auf der Seine noch ein schwieriges Unterfangen. Boote, von Stangen geschoben oder von Tieren gezogen, brachten die Waren vom Lande in die Stadt. Unglücke waren an der Tagesordnung. Die Fährleute konnten meist nicht schwimmen. Die Strömung war stark, die Ufer der Seine nicht befestigt.

Fatale Hochwasser
Mehr als 60 Mal trat die Seine zwischen 576 und 2016 über die Ufer. Viele Städte hat sie überflutet. 1658 stieg die Seine in zehn Tagen um mehr als 8.62 Meter an. Ende Januar 1910 ließ das zweitgrößte bekannte Hochwasser an der Seine in Paris 22.000 Keller und die Hälfte des Métronetzes mit Wasser und Eis volllaufen. Zehntausende unterirdische Abwassergruben, die damals noch nicht an die Kanalisation angeschlossen waren, wurden geflutet.

Ab Mitte des 18. Jahrhunderts wurden zahlreiche Arbeiten unternommen, um den Fluss schiffbar zu machen. Das Flussbett wurde ausgegraben. Die gefährlichen Furten von Rouen und Paris wichen Schleusendämme. Nach und nach ersetzten Brücken die meisten Fähren.

Die Bac de Seine indes verkehren bis heute und pendeln auf acht Passagen zwischen dem rechten und linken Flugufer hin und her. Hier habe ich die kostenlosen Shuttleschiffe vorgestellt.

Tödliche Wellen
Doch noch bis in die 1960er-Jahre fürchteten sich die Menschen am Unterlauf der Seine vor dem mascaret, der riesigen Gezeitenwelle der Seine-Mündung. Mehr als zwei Meter hoch rollte die Welle mit hoher Geschwindigkeit den Fluss hinauf und riss alles mit, was sich ihr in den Weg stellte.

Nicht selten wurden unvorsichtige Zuschauer von den Wassermassen mitgerissen, wenn sie versuchten, das Geschehen vom Kai aus zu beobachten. Doch seit dem Aufstauen der Flussmündung ist dieses spektakuläre Phänomen verschwunden.

Schiffe vs. Laster
Erst Mitte des 20. Jahrhunderts war der Seine-Lauf so gesichert, dass die Binnenschifffahrt sicher war. Doch da konkurrierte bereits die Straße mit der Schifffahrt, und ab den 1970er-Jahren ersetzen zunehmend Laster die Binnenschiffe.


Doch noch immer werden 40 Prozent der nationalen Flussfracht auf der Seine befördert. Seine ist bis Nogent-sur-Seine auf einer Länge von 560 Kilometern schiffbar. Seeschiffe können die Seine bis Rouen befahren, und damit rund 80 Kilometer weit ins Landesinnere gelangen. Rouen und die beiden anderen großen Häfen Paris und Le Havre werden gemeinsam als HAROPA verwaltet.


Ein neuer europäischer Kanal
Ein gigantisches europäisches Großprojekt ist der geplante Canal Seine-Nord Europe (CSNE). Er soll künftig das Seine-Becken mit der Schelde verbinden. Der 106 Kilometer lange Kanal wird die Oise an denDünkirchen-Schelde-Kanal anbinden, und zwar von Compiègne bis Aubencheul-au-Bac in der Nähe von Cambrai.

Bis zu 185 Meter lange Binnenschiffe, die die Ladung von 220 Lkw aufnehmen können, sollen ihn künftig bewahren. Die Vorarbeiten zum Kanalbau haben 2017 begonnen.
Nicht nur für die Handelsschifffahrt, sondern auch für den Tourismus ist der Fluss ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. 125 Unternehmen bieten Fahrten auf der Seine in der Region Île-de-France an, weitere drei in der Normandie. Das sorgt alljährlich für Einnahmen von rund 130 Millionen Euro.

Trinkwasser für die Hauptstadt
Zusammen mit den Flüssen Oise und Marne trägt die Seine gut 40 Prozent zur Trinkwasserversorgung der Île-de-France bei. Eau de Paris liefert Trinkwasser an drei Millionen Menschen in der Hauptstadtregion. Die Abwässer reinigt das Syndicat Interdépartemental pour l’Assainissement de l’Agglomération Parisienne (SIAAP) – täglich 2,5 Millionen Kubikmeter von 9 Millionen Menschen.
Sauberer Strom
Nur recht wenig erschlossen ist bislang das Potenzial der Seine zur sauberen Stromerzeugung durch Wasserkraft. Im Jahr 2016 starteten die Voies navigables de France (VNF) eine Reihe von Kleinwasserkraftwerksprojekten, um die Fallhöhen von Dämmen oder Schleusen an den Flüssen Seine, Marne und Oise zu nutzen.
Bis 2022 können insgesamt zehn Kleinkraftwerke mit einer Leistung von 58.000 MWh pro Jahr den Stromverbrauch von 22.000 Haushalten decken.
Um die Überschwemmungen im Winter zu mildern und den Durchfluss der Flüsse in Trockenzeiten zu unterstützen, wurden im 20. Jahrhundert vier große Stauseen mit einem Fassungsvermögen von 800 Millionen Kubikmeter Wasser aufgestaut. Sie betreibt das Etablissement public de bassin Seine Grands Lacs.
Schlechtes Grundwasser

Die intensive landwirtschaftliche Bewirtschaftung des Pariser Becker hat massiv die Qualität des Grundwassers beeinträchtigt. Nur 28 Prozent des Grundwassers ist noch gut. Der Getreideanbau, der in den 1950er-Jahren begann, hat das Grundwasser mit Düngemitteln und Pestizide vergiftet.
Schuld am schlechten Grundwassern sind die nur teilweise geklärte Abwassereinleitungen zurückzuführen, die Lösungsmittel, Medikamente und Schwermetalle ins Grundwasser spülen.
Die versiegelten Böden der Städte spülen schließlich zusätzlichen Schmutz in die Seine. Bei Starkregen sind die Abwassersysteme rasch gesättigt. Mit schwimmenden Absperrungen fängt die SIAPP 26 flussabwärts treibenden Abfall ein. Ebenfalls im Fluss befinden sich Überlebensinseln der SIAPP. Ihr Sauerstofftank wird geöffnet, wenn bei schweren Stürmen oder heißem Sommerwetter die Seine nicht mehr genug Sauerstoff birgt.
Saubere Flüsse

Die verstärkten Umweltanstrengungen, die im Schéma directeur d’aménagement de la gestion de l’eau (SDAGE) festgelegt sind, hat in den letzten Jahren dazu geführt, dass sich die Wasserqualität der Seine allmählich verbessert. Seit 1970 ist die Anzahl der Fischarten, die in der Seine und ihren Zuflüssen leben, von 3 auf 32 gestiegen.

Zwischen 2013 und 2018 wurden im Seine-Normandie-Becken fast 500 Dämme entfernt, um die Bewegung von Fischen und Sedimenten zu verbessern. 4.500 Kilometer Wasserwege wurden restauriert. Dort sind Forellen, Lachse und Drachenkopfartige wie der Rotbarsch zurückgekehrt.

Die Rettung der Seine begleitet seit drei Jahrzehnten die interdisziplinäre Forschungsgruppe PIREN Seine. 20 Forschungsteam aus ganz Frankreich in so unterschiedlichen Bereichen wie Hydrologie, Geochemie, Mikrobiologie, Humangeografie und Geschichte gehören ihr an.

In enger Kooperation mit GIP Seine-Aval, das die Seine im Mündungsbereich wissenschaftlich begleitet, und OPUR als Überwacher der Wasserqualität im urbanen Raum, hat sie ein enges Netz geschaffen.
Es schlägt sofort Alarm, wenn sich die Wasserqualität der Seine verschlechtert. Und Lösungsvorschläge erarbeitet hat, die lokal vor Ort und im gesamten Einzugsbereich die Zukunft der Seine sichern sollen. Die Seine atmet langsam wieder auf.

Keine Bezahlschranke. Sondern freies Wissen.
Keine Werbung. Sondern Journalismus mit Passion.
Das gefällt euch? Dann freue ich mich über eure Unterstützung.
Fünf Möglichkeiten gibt es. Und auch PayPal.
Weiterlesen
Im Blog
Als gebürtige Hamburgerin faszinieren mich Flüsse. Alle Beiträge, die ich im Blog zur Seine veröffentlicht habe, findet ihr hier.
Im Buch
Das ganze Land: MARCO POLO Frankreich*
Einfach aus dem Besten auswählen und Neues ausprobieren, ist das Motto der Marco Polo-Reiseführer. Den MARCO POLO Frankreich* habe ich vor vielen Jahren von Barbara Markert übernommen und seitdem mehrfach umfassend aktualisiert und erweitert.
Freut euch auf neue Insidertipps, neue Reiseziele, frischen Hintergrund und viele Erlebnisvorschläge für Aktive und Entdecker – von Lichterkunst in Bordeaux’ U-Boot-Basis bis zu Wanderungen unter Wasser. Und damit ihr Frankreich noch besser versteht, gibt es natürlich auch viel Hintergrund zu Frankreich und seinen Menschen. Wer mag, kann ihn hier* direkt bestellen.
Frankreichs Flüsse: Marco Polo Frankreichs Flüsse*
Seine, Loire, Rhône und Saône heißt das Quartett, das Flusskreuzfahrer träumen lässt. Die schönsten Erlebnisse und Zielorte habe ich – gemeinsam mit anderen Autoren – im Marco Polo Frankreichs Flüsse* vorgestellt.
Natürlich kommen neben Aktiv- und Ausflugstipps auch die kulinarischen Hinweise nicht zur kurz.
How to cruise verrät euch, was ihr bei einer Kreuzfahrt alles beachten sollten. Dazu noch praktische Tipps und Karten: So seid ihr kompakt informiert. Oder lasst euch einfach inspirieren.
* Durch den Kauf über den Partner-Link, den ein Sternchen markiert, kannst Du diesen Blog unterstützen und werbefrei halten. Für Dich entstehen keine Mehrkosten. Ganz herzlichen Dank – merci !
Hinterlasse jetzt einen Kommentar