Landpartie: Von Paris an den Ärmelkanal
Auf zur Landpartie durch 1100 Jahre! Florierende Handelsroute und feindliches Einfallstor, Lebensader von Großstädten und Refugium der Natur, Strom der Geschichte und Katalysator der Kunst: Die Seine, die sich als blaues Band in weiten Schleifen von Paris Richtung Küste windet, hat Jahrhunderte lang die Geschichte und die Geschicke der Normandie geprägt.
Die Heimat von Monet
Dem Verkehrsgewühl der Hauptstadt entflieht ihr am besten zunächst auf der Autobahn A13. Doch spätestens an der Ausfahrt 14 Richtung Vernon/Bonnières sollten ihr sie verlassen und auf der D 201 Giverny ansteuern, wo der Wegbereiter des Impressionismus fast 40 Jahre lang wirkte: Claude Monet.
Kunst und Natur verschmelzen auf seinem Anwesen zu einem Gesamtkunstwerk, das den Maler zu Meisterwerken wie dem Seerosenzyklus inspirierten, der im Pariser Musée de l’Orangerie zu bewundern ist. Den internationalen Charakter der Impressionismus-Bewegung dokumentiert das Musée des Impressionnismes Giverny.
Die D 6 bringt euch über die Seine zum mittelalterlichen Städtchen Vernon, dessen mittelalterliche Fachwerkmühle auf einer Seine-Brücke Monet ebenfalls als Motiv diente. Sehenswert ist auch das am Stadtrand gelegene Château de Bizy, das sogar einen Pool für Pferde besitzt.
Die Burg von Richard Löwenherz
Zurück über die Seine, folgt ihr der D 313 bis nach Les Andelys. Dorf ließ Richard Löwenherz auf einem Felsdorn 1196 ein gewaltiges Bollwerk errichteten. Dennoch war es nicht stark genug, die Normandie vor dem Zugriff Frankreichs zu schützen.
Nach siebenmonatiger Belagerung eroberte Philippe II. 1204 das Château de Gaillard und besiegelte damit das Ende der Unabhängigkeit der Normandie. Die Grenzfeste ist heute eine Ruine mit wundervollem Weitblick auf die begrünten Kreidefelsen und Schleifen und der Seine.
Die Hauptstadt der Normandie
Folgt bei der Landpartie von Paris zum Ärmelkanal nun dem Ufer des Flusses auf der D 313, D 19 und D 18, bis ihr die Hauptstadt der Normandie erreichen: Rouen. Das heutige Etappenziel gehört neben Giverny zu den berühmtesten Sujets des Malers Monet.
1892/93 hatte er sich im Herzen der Altstadt ein Zimmer gemietet und gemalt, was er gegenüber sah: die Fassade der Kathedrale im wechselnden Licht der Tageszeiten – 30 Meisterwerke, deren Licht aus der Leinwand tritt, die Fassade zum Glühen bringt. Die Hitze der Sonne ist förmlich zu spüren.
Dass Monet auch ein begnadeter Koch war, beweisen seine Kochhefte voller Rezepte, die es mittlerweile auch in deutscher Übersetzung gibt.
Und auch bei der abendlichen Illumination der Kathedrale, die mit farbenfrohem Videomapping die Fassade zum Leuchten bringt, stand Monet Pate.
Zu den schönsten und ruhigsten Unterkünften mitten in der Altstadt gehört das im 17. Jahrhundert aus Fachwerk errichtete Le Vieux Carré, dessen 14 Zimmer sich rund um einen Baum bestandenen Innenhof gruppieren.
Die Abteien der Normandie
Bei der Weiterfahrt am nächsten Morgen folgt ihr auf der D 6015 zunächst dem rechten Seineufer und biegt dann auf die D 982 ein, die lichten Nadelwald durchquert.
Unter seinen Kiefern und Tannen verstecken sich Megalithen. Dann weicht der Wald weiten Feldern, und die Abbaye Saint-Georges de Boscherville erhebt sich hell am Horizont.
Die ausgedehnten Gärten, die die spätromanischen Abteikirche umgeben, wurden von den Mönchen erst 1685 angelegt. Die wohl schönste Perle normannischer Sakralkunst an der Seine ist die Ruine der Abbaye de Jumièges mit ihren 46 m hohen Zwillingstürmen. Hungrig?
Dann picknickt doch im Schatten der 500 Jahre Eibe, die sich im Inneren des Klosters erhebt. Was in den Picknickkorb gehört? Auf jeden Fall normannische Käsespezialitäten wie Livarot, Pont Évêque und Camembert und köstlichem Cidre. Mehr zu den Abteien der Seine erfahrt ihr hier.
Brücke oder Fähre bei der Landpartie?
Setzt danach mit den kostenlosen Bacs de Seine, kleinen Autofähren, ans andere Ufer über. Folgt der D 913 durch den königlichen Jagdwald Forêt de Brotonne nach La Mailleraye-sur-Seine und danach der D 490 nach Caudebec-en-Caux.
Das Städtchen dominiert die spätgotische Église Notre-Dame. Für Heinrich IV. war sie die „schönste Kapelle meines Königreiches“. Gemeinsam mit Saint-Wandrille Rançon und Villequier bildet Caudebec heute die Großgemeinde Rives-en-Seine.
Cidre fürs Rind!
In Villequier 5 Kilometer westlich an der D 81 erinnert das Musée Victor Hugo an den Dichter von Les Misérables und an dessen Tochter Léopoldine, die 1843 frisch vermählt in der Seine ertrank. Ganz in der Nähe könnt ihr ungewöhnliches Fleisch kosten: bœuf cidré.
Die letzte Schleife der Seine schmückt das Château d’Ételan, das als Burg um 1050 erbaut und im 15. Jahrhundert in eine Residenz im Stil der Flammengotik umgebaut wurde.
Wechselt mit der Autofähre in Port-Jérôme ans linke Flussufer nach Quillebeuf-sur-Seine und durchquert auf der D 103, der Route du Marais, das Schwemmland im Mündungsgebiet.
Biegt in La Foulbec auf die D 312 ein und folgt der Kreisstraße vorbei an alten Gehöften, Weizenfeldern und Kuhweiden bis nach La Rivière Saint-Sauveur.
Dort überbrückt der Pont de Normandie als größte Schrägseilbrücke Europas seit 1994 die fast einen Kilometer breite Mündung der Seine.
Für die Maut entschädigt eine atemberaubende Aussicht über das Seinetal und die ausgedehnten Hafenlagen von Le Havre aus mehr als 50 Metern Höhe.
Am Ziel der Landpartie
Wer sich für die Brücke und das Biotop der Seinemündung interessiert, sollte nach der Überquerung die Autobahn A29 bei der Abfahrt Port 1000-3000 verlassen und La Maison de l’Estuaire. Am Besucherzentrum beginnen auch sechs Rundwege durch das Schutzgebiet.
Auf der Route de l’Estuaire erreicht ihr die Le Havre. Bei den Bombardements der Briten versank das alte Le Havre am 5./6 September 1944 in Schutt und Asche.
Auferstanden ist es als Vision eines Mannes, dessen architektonische Zeugnisse der Hafenstadt heute UNESCO-Welterbe-Status verleihen: August Perret. Mitten im Welterbe-Viertel lädt das Hôtel & Spa Le Vent d’Ouest zur komfortablen Nacht im maritimen Ambiente.
Zweite Architekturperle der normannischen Porte de l’Océane ist das revitalisierte Hafengebiet mit dem Shopping- und Entertainmentkomplex Docks Vauban (1846) und Les Bains des Docks, dem stylischen Hafenbad in Weiß und Grau von Jean Nouvel.
Eine Institution der Hafenarbeiter war das Bistro des Grands Bassins, das sein Ambiente aus warmem Holz und rotem Leder bewahrt, Küche und Service indes an das neue, betuchtere Publikum angepasst hat.
Noch nicht müde? Dann lasst eure Landpartie von Paris zum Ärmelkanal mit Jazz und Blues im benachbarten Club Hercule Poirot ausklingen – seine Wein-, Whiskey- und Champagnerkarte ist hervorragend!
Gefällt Dir der Beitrag? Dann sag merci mit einem virtuellen Trinkgeld.
Denn nervige Banner oder sonstige Werbung sind für mich tabu.
Ich setze auf Follower Power. So, wie Wikipedia das freie Wissen finanziert.
Unterstütze den Blog! Per Banküberweisung. Oder via PayPal.
Weiterlesen
Im Blog
Zu einer etwas anderen Landpartie lädt dieses Flussportrait der Seine.
Im Buch
Glücksorte in der Normandie*
Steile Klippen und weite Sandstrände, bizarre Felslandschaften und verwunschene Wälder, romantische Fachwerkstädtchen und moderne Architektur – die Normandie hat unzählige Glücksorte zu bieten.
Gemeinsam mit meiner Freundin Barbara Kettl-Römer stelle ich sie euch in diesem Taschenbuch vor. Wir verraten, wo die schönste Strandbar an der Seine liegt, für welche Brioches es sich lohnt, ins Tal der Saire zu fahren, und wo noch echter Camembert aus Rohmilch hergestellt wird.
Unser Gemeinschaftswerk stellt euch insgesamt 80 einzigartige Orte vor, die oftmals abseits der eingetretenen Pfade liegen und auf einer Landpartie durch die Normandie bestimmt begeistern. Wer mag, kann es hier* bestellen.
Normandie: 50 Tipps abseits der ausgetretenen Pfade*
Die Netflix-Serie „Lupin“ hat die Normandie zu einem touristischen Hotspot gemacht. Garantiert keine Massen trefft ihr bei meinen 50 Tipps. Sie sind allesamt insolite, wie die Franzosen sagen – ursprünglich, authentisch und wunderschön.
Die Landpartie durch die andere Normandie beginnt im steten Auf und Ab der Vélomaritime, führt zu den Leinenfeldern der Vallée du Dun, zu zottigen Bisons und tief hinein ins Bauernland des Pays de Bray, Heimat des ältesten Käses der Normandie.
Im Tal der Seine schmücken Irisblüten auf hellem Reet die Giebel alter chaumières, und Störche brüten im Marais Vernier. Von den Höhen vom Perche geht es hin zur Normannischen Schweiz und bis zur Mündung des Couesnan an der Grenze zur Bretagne. Hier* könnt ihru den handlichen Führer bestellen.
* Durch den Kauf über den Parnter-Link, den ein Sternchen markiert, kannst Du diesen Blog unterstützen und werbefrei halten. Für Dich entstehen keine Mehrkosten. Ganz herzlichen Dank – merci !