Moules de Bouchot: Amphibienfahrzeug. Foto: Hilke Maunder
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Moules de Bouchot: Muscheln à la française

Bei Le-Vivier sur-Mer staute sich der Verkehr. Vor mir fuhr auf der Küstenstraße der Baie du Mont Saint-Michel ein Schiff. Ein großer Kahn aus Stahl, unterwegs mit Tempo 30, blauem Dach auf dem Führerhaus und großer offener Ladefläche.

In roten, quadratischen Kisten lagen dort, dicht an dicht, grobmaschige Netze, prall gefüllt mit Miesmuscheln. 10.000 Tonnen dieser Moules de Bouchot AOPwerden alljährlich in der weit geschwungenen Bucht an der Grenze von Normandie und Bretagne von Holzpfählen im Meer geerntet. Bouchots heißen die Pfähle im Französischen.

Moules de Bouchot: Die köstliche Fracht aus dem Meer wird in den Becken der Kooperative von Saint-Hirel gewässert. Foto: Hilke Maunder
Die köstliche Fracht aus dem Meer wird in den Becken der Kooperative von Saint-Hirel gewässert. Foto: Hilke Maunder

Moules-de-Bouchot: die Königin der Miesmuscheln

Alljährlich Mitte Juli beginnt die Ernte. Bis Februar fahren rund 250 Männer mit Wathosen und dicker Öljacke in ihren amphibischen Schiffen hinaus. Und atmen jeden Abend auf, wenn sie ihren Fang entladen, kontrollieren und merken, das die als regionale Spezialität geschützten Miesmuscheln nicht so geheimnisvoll sterben wie ihre Konkurrenten aus Charente-Maritime.

12.000 Tonnen Muscheln mit einem Wert von 200 Millionen Euro haben dort im August 2014 die Fischer tot aus den Fluten gezogen. Besonders betroffen war die Baie de L’Aiguillon. In der Bucht waren mehr als 90 Prozent, an manchen Pfählen sogar zu 100 Prozent der Ernte infiziert und damit zerstört worden.

Moules de Bouchot: Die Miesmuscheln werden in verschiedenen Becken mit Süßwasser gespült. Foto: Hilke Maunder
Die Miesmuscheln werden in großen Becken mit Süßwasser gespült. Foto: Hilke Maunder

Von Bakterien bedroht

Hinter dem Muschelsterben vermutet das französische Meeresforschungsinstitut  Ifremer Stämme von Vibrio splendidus. „Dringt das Bakterium ein, ist die Bouchotmuschel binnen 24 Stunden tot“, sagt Jean-Pierre Baud von Ifremer. Schuld am Bakterienwachstum sind, vermuten die Forscher von Ifremer, der Klimawandel. Eine große Mitschuld trägt der Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft, die ins Meer gespült werden.

In Le Vivier-sur-Mer ist die Welt noch in Ordnung. Schiff um Schiff fährt in den frühen Abendstunden auf den Hof der Cooperative Maritime. Dort entladen sie ihre Fracht in große Betonbecken, während sprudelnd das Wasser einläuft und die Bouchot-Muscheln spült. Immer wieder läuft frisches Süßwasser in die Becken und holt Salz und Sand aus den Meeresfrüchten.

Moules de Bouchot: Hiner dem Deich von Saint-Hirel. Foto: Hilke Maunder
Süßwasserbecken der Fischerkooperative von Saint-Hirel. Foto: Hilke Maunder

Mit Apfel, Speck oder Weißwein?

Gut durchgewaschen und von den Byssusfäden, dem „Bart“ befreit, landen die Miesmuscheln kurz darauf in der Küche der vielen kleinen Restaurants entlang der Bucht. Ihre Küchenchefs kombinieren ihr nussig-mildes Fleisch mit fast allem. Von Apfel bis Speck, von Knoblauch bis Chili, oder ganz klassisch im Weißweinsud mit Knoblauch, Wurzelgemüse, Salz und Pfeffer.

Mit einem Berg Pommes Frites stellen sie die Muscheln in schwarzen Emailletöpfen als moules frites auf den Tisch. Von dort schweift der Blick weit über die Bucht. Seit fast 70 Jahren, und zwar genau seit 1954, ist dort die Muschelzucht das wichtigste Wirtschaftsstandbein. Aneinandergereiht bilden die bouchots, die bei Ebbe als schwarze Pfähle aus dem hellen Watt in den Himmel ragen, eine Länge von 271 Kilometern!

Moules de Bouchot. Maritimes Stillleben. Foto: Hilke Maunder
Maritimes Stillleben. Foto: Hilke Maunder

Großes Muschelfest

Wie stolz die Nordbretonen auf ihre Bouchot-Muscheln sind, beweisen sie alljährlich Mitte Juli bei der Fête des moules in Le Vivier-sur-Mer. An einem einzigen Tag werden dort vier Tonnen dieser köstlichen Meeresfrucht verzehrt!

Mitten im bunten Treiben sind auch 22 gelb-schwarz gekleidete Würdenträger zu sehen. Die honorigen Mitglieder der Miesmuschel-Innung wachen mit Argusaugen darüber, dass die angebotenen Bouchot-Muscheln auch den Qualitätskriterien genügen. Sie sind von Amtswegen Genießer.

Das Infozentrum der Moules de Bouchot

Als Schaufenster der mytiliculture bringt euch die Maison de la Baie als Centre de Découverte de la Baie die arbeitsintensive Muschelzucht in der Bucht des Mont-Saint-Michel näher. Und das nicht nur mit einer Dauerausstellung, sondern auch mit Ausflügen mit Mytili-Mobil.

Dieser amphibische Trecker-Zug bringt euch näher ran an die Muschelpfähle, Austernbänke und traditionelle Fischereien. Auch Wanderungen auf den Spuren der Muschelzüchter gehören zum Programm.

Die besten Rezepte mit Moules de Bouchot

Moules frites

Moules de Bouchot. Miesmuscheln: Die Küche der Küste
Moules, Miesmuscheln, gibt es in vielen Variationen in Frankreich – aber immer mit Pommes Frites. Foto: Hilke Maunder

Der Miesmuschel-Klassiker der französischen Küsten heißt moules frites.  Nach einem ausgiebigen Tag am Strand genießen die Franzosen topfrische Miesmuscheln mit Pommes Frites. Die Zubereitungsarten der Muscheln sind dabei so vielfältig wie die Fantasie des Kochs. Doch immer werden sie in großen, schwarzen Emaille-Töpfen serviert.

Als bestes Muschelrestaurant an der Alabasterküster gilt La Frite d’Or von Florence Delacotte. Nur einen Steinwurf entfernt von Frankreichs zweitgrößtem Ölhafen sind die Fritten so knusprig und golden, wie der Name des Lokals es verspricht. Das Küstenmahl Moules Frites dekliniert Florence Delacotte in vielen verführerischen Variationen.

Beim Klassiker Moules Marinières garen die Moules de Bouchot in einer Brühe aus Weißwein, Essig, Zwiebeln und Petersilie. Dieses Grundgericht ist so köstlich wie kalorienarm. Doch in der Normandie liebt man Sahne und Cidre. Das macht die Muscheln zu einer opulenten Mahlzeit. Für die Moules Normande ersetzt Crème fraîche den Essig, bei den Moules Cidre wandern neben Apfelwein noch Schinkenstreifen in die Soße.

Gerne kombiniert Madame Delacotte auch den Grundmix für Moules Frites mit Käse. Bei den Moules Roquefort ist es Blauschimmelkäse, bei den Moules Boursin kommt Kräuterfrischkäse hinzu. Und natürlich stets auch Crème fraîche. Exotischer sind ihre Moules à l’espagnole, wo sich die Meeresfrucht mit Chorizo und Tomaten paart. Bei den Moules Curry sorgt die indische Gewürzmischung für eine exotische Note. Und jedes Mahl mit den Moules de Bouchot für satte, glückliche Zufriedenheit am Klippenstrand.

Zutaten (4 Personen)

Muscheltopf
  • 4 kg Moules de Bouchot oder andere Miesmuscheln (1 kg pro Person)
  • 500 ml Weißwein
  • 2 Tomaten
  • 300 g Schalotten
  • 90 g leicht gesalzene Butter
  • Olivenöl zum Anbraten
  • 400 g Crème fraîche
  • 40 g Stärke (Maizena)
  • 50 g Knoblauch
  • 1 Bouquet Garnie
  • 10 g Petersilie
Pommes Frites

Wichtig ist die Wahl der richtigen Kartoffelsorte. Binja, Ditta und Agria sind deutsche Sorten, die gut geeignet sind für knusprige Fritten. Pro Person rechnet man 2-3 Kartoffeln.

  • mehlig kochende Kartoffeln
  • Frittierfett
  • 2 EL Essig
  • Wasser

Zubereitung  der Muscheln

  • Reinigt die Moules de Bouchot in klarem Wasser und sortiert sie. Werft alle Muscheln fort, die gebrochen sind. Geöffnete Muscheln können in den Topf wandern, wenn sie sich beim Klopfen schließen. Bleiben sie geöffnet, bitte entsorgen!
  • Schneidet die Tomaten in Scheiben  und hackt die Schalotten grob.
  • Erhitzt etwas Olivenöl in einem großen Topf. Gebt die Schalotten, Tomaten und das Bouquet Garni hinein, danach die Muscheln und den Weißwein.
  • Kocht die Muscheln so lange, bis sie sich öffnen.
  • Nehmt vorsichtig die Muschel heraus und lasst möglichst viel Muschelsaft im Topf. Reduziert den Muschelfond, bis er alle Aromen schön konzentriert (ca. um ein Drittel). Stellt den Sud in einem Behältnis beiseite.
  • zerkleinert den Knoblauch und die Petersilie.
  • Schmelzt die Butter in einer Pfanne mit hohem Rand. Gebt Knoblauch und Petersilie hinzu. Lasst dieses Trio drei Minuten lang gut durchziehen. Dann die Speisestärke hinzugeben, gut verrühren und bei mittlerer Hitze zwei Minuten lang aufkochen. Die Crème fraîche und den Muschelsud zugeben. Umrühren und eindicken lassen.
  • Gebt die Muscheln zurück in den Topf. Gebt die cremige Muschelsoße hinüber, erhitzt alles und lasst es für rund fünf Minuten durchziehen.

Zubereitung der Pommes Frites

  • Kartoffeln schälen und in Stifte schneiden
  • Die Kartoffelstifte 10 Minuten lang in Essigwasser vorgaren. Auf Küchenpapier abtrocknen und auskühlen lassen.
  • Bei 180 Grad Celsius das erste Mal frittieren.
  • Herausnehmen, auf Küchenkrepp abtropfen und auskühlen lassen.
  • Bei 190 Grad Celsius erneut frittieren, bis die Pommes Frites goldbraun und gar sind. Mit Salz bestreuen und zu den Miesmuscheln servieren. Alternativ passt auch frisches Baguette sehr gut zu den Miesmuscheln à la française. Bon appétit !

Seeräuber-Curry: Moules de Bouchot in Curry-Crème

Seeräuber-Curry mit Bouchot-Muscheln. Foto: Hilke Maunder
Seeräuber-Curry mit Moules de Bouchot. Foto: Hilke Maunder

Ich koche meine Muscheln daheim bei Freunden nach einem Rezept von Emmanuel Tessier. Der Blondschopf war der Sous-Chef beim Sternekoch Oliver Roellinger. Heute weiht er in Cancale in seiner Kochschule Hobbyköche in die Geheimnisse des Kochens mit Gewürzen ein.

Während der Saison schippert er mit Gästen an Bord zu den Îles Chausey im Rahmen einer croisière corsaire. Infos und Impressionen zu diesem Tagestörn gibt es hier. Die Moules de Bouchot serviert er dort an Bord als Seeräuber-Curry. Viel Spaß beim Nachkochen!

Zutaten (für 4 Personen)

  • 2 kg Moules de Bouchot, geputzt
  • 4 TL Curry Corsaire (­Koriander, Bockshornkleesamen, Ingwer, Kurkuma und Kardamon; Épices Roellinger)
  • 300 ml Weißwein
  • 1 säuerlicher Apfel
  • 1 Zwiebel
  • 1 Schalotte
  • 1 Knoblauchzehe
  • 2 EL Schlagsahne
  • 20 g Butter
  • Petersilie zum Garnieren

Zubereitung

  • Apfel, Zwiebel und Schalotte würfeln, Knoblauch zerdrücken, mit der Butter in der Pfanne dünsten, Currypulver hinzu und vier Minuten garen lassen.
  • Im großen Kochtopf Wein reduzieren, darin die Muscheln sieben Minuten lang köcheln. Den Muschelsud in die Pfanne geben, Sahne hinzugeben und alles fein pürieren.
  • Die Muscheln aus der Schale lösen (16-20 für Deko belassen), in tiefe Teller geben, mit der Curry-Soße bedecken und mit Petersilie und Muscheln dekorieren.

Bon appétit und guten Genuss!

Cooperative Maritime: Feierabend! Foto: Hilke Maunder
Feierabend! Foto: Hilke Maunder

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Moules de Bouchot: Direkt an der Küste könnt ihr die topfrischen Muscheln mit Blick aufs Meer genießen. Foto: Hilke Maunder
Direkt an der Küste könnt ihr die topfrischen Muscheln mit Blick aufs Meer genießen. Foto: Hilke Maunder
Die Fischerkooperative von Saint-Hirel. Foto: Hilke Maunder
Die Fischerkooperative von Saint-Hirel. Foto: Hilke Maunder

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