ViaRhôna im Test: von Le Pouzin nach Viviers
Ein strammes Programm wartet heute auf uns. Als ob er Gedanken lesen könnte, sagt unser Gastwirt Dominique zwischen Café und Croissant am recht frühen Morgen: „Ich habe etwas in Cruas zu tun – wenn ihr wollt, nehme ich eure Räder auf dem Anhänger mit. Dann ist euer Tag etwas entspannter.“
Das Megabild am Meiler
Wir sagen nicht nein. Erst bei Cruas bringt uns ein Stichweg zurück an die Rhône. Ab hier treten wir wieder in die Pedale. Zwischen den Baumkronen erblicken wir in der Ferne ein 155 m hohes Wandbild. Es zeigt ein Kind, das aus einer Muschel Wasser auf eine Glaspyramide gießt.
Aquarius nannte der französische Maler Jean-Marie Pierret sein 12500 Quadratmeter großes Wandbild, das neun Bergsteiger 1991 in 8000 Arbeitsstunden schufen. Wo? Auf einem der vier Kühltürme des Atomkraftwerkes von Cruas.
Adlernest aus dem Mittelalter
Baix, Cruas, Meysse, Rochemaure: Wie Schwalbennester hängen die mittelalterlichen Orte am Fels, hocken auf einem Kamm des Coiron oder thronen auf Vulkankegeln über der Ebene der Rhône.
Vom Donjon des Château des Adhemar, das ein Zweig der Grafenfamilie in Rochemaure auf einem Basaltfelsen errichtete, schweift der Blick von den Kühltürmen von Cruas-Meysse im Norden und der Staumauer von Rochemaure über die Ebene von Montélimar im Osten bis zum Défilé von Donzère im Süden.
Wer Zeit hat, kann von der Ruine der Festung zu einem zweiten Aussichtspunkt wandern – dem Pic de Chenavari (4.5 km einfache Strecke). Vom 507 Meter hohen Gipfel seht ihr sogar die Basses Baronnies und die hohen Bergspitzen des Vercors am linken Rhône-Ufer in der Drôme.
Wie im Himalaya!
In Rochemaure begegnen wir wieder Marc Seguin (1786 – 1875). Mehr als 20 Brücken schuf der Erfinder der Tragseilbrücke allein entlang der Rhône.
Für Rochemaure entwarf der Ingenieur im Stil der Neoromantik eine Hängebrücke, die asiatische und afrikanische Lianenbrücken imitierte und sich zugleich mit ihren 13 bzw. 14 m hohen Türmen im Stil einer Burg dem mittelalterlichen Ortsbild von Rochemaure anpasste.
1859 wurde sie eingeweiht. In zwei Abschnitten, 140 bzw. 190 m lang, überspannte sie mit dicken Seilen aus gedrehtem Eisen die Rhône. Wer sie benutzten wollte, musste damals Maut zahlen. 1884 kaufte die Kommune für 500 Goldfranken den Brückenbau. Seitdem ist der Weg frei.
1937 geschah das erste große Unglück: Ein Lastwagen, beladen mit 20.000 Litern Öl, stürzte in die Tiefe. Wie durch ein Wunder überlebte der Fahrer den Sturz unbeschadet.
Die autofreie Renaissance
1968 versuchte ein Laster mit 35 Tonnen Zement, den Weg über die Brücke zu nehmen. Sie kollabierte – und ist seitdem Fußgängern und Radfahrern vorbehalten. Für den Autoverkehr wurde 500 Meter entfernt eine neue Brücke errichtet und 1978 eröffnet.
Die alte Brücke indes geriet in Vergessenheit und verfiel zusehends. Bis die EU, die Region Rhône-Alpes, die Compagnie Nationale du Rhône, das Département Ardèche und die Gemeinde Rochemaure 1,3 Millionen Euro in die Hand nahmen und den vieux pont als schönste Brücken der ViaRhôna neu belebten: als passerelle Himalayenne von Rochemaure.
Sie präsentiert sich 2013 als 339 m lang Prachtstrecke über die Rhône mit Kippel-Kick. Besonders, wenn der Mistral wie jetzt durch das Rhône-Tal fegt und den Himmel blank putzt. Gen Norden blicken wir noch auf schwarze Wolken, im Süden aber erwartet uns die Sonne!
Endlich Sonne!
Die warme Sonne verrät es: In Montélimar beginnt der Süden. Montélimar entwickelte sich zu Füßen des Château des Adhémar.
Fast 500 Jahre lang war die bedeutendste mittelalterliche Wohnburg im Rhônetal ein Gefängnis. Heute birgt sie ein Kunstzentrum, das mit Ausstellungen international berühmter Künstler wie John M. Armelder, Daniel Buren und Olga Kisseleva für Aufsehen sorgt.
Auf der Route Nationale 7, die hier Assoziationen an US-amerikanische Highways weckt, radeln wir Richtung Altstadt. Sie versteckt sich hinter dem grünen Gürtel der Allées provençales, breiten Platanen-Boulevards mit Geschäften, Restaurants und Bars.
Auf der Place des Halles essen wir für wenige Euro ein plat du jour: poulet à la provençale, Huhn nach Provence-Art mit Reis. Über uns erinnert ein riesiges Wandbild an eine weltberühmte Spezialität, die bis heute in kleinen Manufakturen handgefertigt wird: der weiche, weiße Nougat von Montélimar.
Besuch beim Nougat-König
Während bei uns Nougat vornehmlich aus Kakao, Zucker und Haselnüssen besteht, wird das französische Pendant aus Wasser, Lavendelhonig, Eischnee, Mandeln und Pistazien hergestellt. Mitten im Gewerbegebiet an der Avenue Gournier wird es so seit 1837 bei Arnaud Soubeyran gefertigt.
Wie, verrät uns Olivier Honnoré als Enkel des Firmengründers bei einer Führung. Wir können dabei nicht nur den Konditoren bei der Arbeit über die Schultern schauen, sondern auch ihre Erzeugnisse – noch warm! – direkt genießen. Ausstellungsstücke zur Firmengeschichte und ein Film zum Thema beenden den Rundgang im Musée du Nougat von Soubeyran.
„Der Begriff Nougat“, erklärt Olivier, „wurde nach Ansicht der Wissenschaftler abgeleitet von lat. Nux Gatum (Kuchen mit Nüssen). Doch das ist nur die halbe Wahrheit“, schmunzelt er und hält uns die nächsten Teller mit Naschereien hin. „Wir Einheimischen sind überzeugt: Nougat kommt von ‚ tu nous gâtes ‚ – und das bedeutet. Du verwöhnst uns!“
Von Montélimar nach Viviers
Vollgenascht mit Nougat und guimauves, der französischen Vorlage für die US-amerikanischen Marshmallows, geht es zurück auf die ViaRhôna. Gemütlich lassen wir uns vom Mistral bis nach Châteauneuf-du-Rhône treiben.
Auch hier umschließt eine mittelalterliche Stadtmauer mit Bergfried die verwinkelten Gassen der Ortschaft. Nun geht es bergab. Bis zur Rhônebrücke hinüber nach Viviers treten wir nicht mehr die Pedale!
Die Hauptstadt des Vivarais
Auf der Brücke hinüber nach Viviers bläst der Mistral mittlerweile so stark, das wir die Räder schieben und uns mit einer Hand am Geländer festhalten müssen.
Und dann hebt der Nordwind auf einmal nicht nur meine Jacke hoch, sondern alles, was ich sonst noch an Oberbekleidung trage. Ein Autofahrer sieht es und hupt…
Am Hôtel de Ville, einem imposanten Bau aus der Mitte des 18. Jahrhunderts, der erst 1986 vom Bistum an die Gemeinde übergeben wurde, treffen wir Olivier Fidenti. Er zeigt uns einen Nachmittag lang die schönsten Ecken der Hauptstadt des Vivarais. Entdeckt sie hier!
Meine Reisetipps
ROCHEMAURE
Schlafen & schlemmen
Hôtel Médiéval*
Die Auswahl in Rochemaure ist nicht groß, das grundsolide Dreisternehotel mit 34 Zimmern, die erst kürzlich renoviert wurden, aber durchaus zu empfehlen. Frühstück gibt es vor Ort, fürs Abendessen gibt es mehrere Restaurants im Ort. Hier* könnt ihr es buchen.
Mein Tipp: Das kleine Restaurant La Petit France, 34, impasse Raymond Daujat, Tel. 04 75 46 07 94.
• 11, avenue du Teil, 07400 Rochemaure, Tel. 04 75 49 07 05 und 04 75 52 28 86, www.logishotels.com
MONTÉLIMAR
Schlafen
Domaine de Passy
Früher barg der Feldsteinhof im Norden von Montélimar eine Seidenraupenzucht, heute heißen Madame Pierrette und Monsieur Didier ihre Gäste in zwei Zimmern und einer Suite willkommen. Eine herrliche Abkühlung: der große Pool im weitläufigen Garten.
• 250, chemin du relais, 26740 Savasse, Tel. 04 75 52 09 35
Nougat erleben
Fast vier Stunden braucht Arnaud Soubeyran, um das Traditionskonfekt aus Eischnee, Zucker, Lavendelhonig und Mandeln herzustellen. Wie, verraten eine gläserne Produktion und das Werksmuseum.
• Z.I. Sud, Avenue de Gournier, Tel. 0 4 75 51 01 35, www.nougatsoubeyran.com
Monsieur Savin lädt ebenfalls ein, hinter die Kulissen der handwerklichen Herstellung zu schauen.
• SUPREM’NOUGAT, 3, avenue St-Martin, Tel. 04 75 01 74 42, www.facebook.com
Als süße Erlebnis- und Shoppingwelt mit Nougatfabrikation, Spielewelt, Museum und Shop begeistert der Palais des Bonbons et du Nougat auch junge Naschkatzen.
• 100, Route de Valence, Tel. 04 75 50 62 66, www.palais-bonbons.com
VIVIERS
Schlafen
Le Temps des Pauses*
Das Stadtpalais ist eine Wohlfühloase mit geschmackvollen, modern-nostalgische Gästezimmer samt Wellness-Garten mit Whirlpool und ein Schwimmbecken. Im Spa könnt ihr in einer kleinen Sauna schwitzen oder sich Stress und Anspannung einfach weg massieren lassen.
• 2, Allée du Rhône, 07220 Viviers, Tel. 04 75 49 11 25, www.letempsdespauses.fr
Schlemmen & genießen
VinScène
Der Sommelier Jean-Matthieu Pelletier hat mit der Altstadt-Weinbar gemeinsam mit seiner Freundin den Sprung in die Selbstständigkeit gewagt. Mir haben sein kleiner, feiner und gut sortierter Weinkeller und seine liebevoll zusammengestellten Platten mit Charcuterie aus Ardèche ausgesprochen gut gefallen.
• 11, rue de la Chèvrerie, 07220 Viviers, Tel. 04 27 58 07 71, mobil: 06 26 10 8 20,
Schöne Dinge
La Poterie
Anne und Paul Hostein-Mortier sind zwar seit Jahrzehnten ein Paar, töpfern aber beide in einem ganz unterschiedlichen Stil. Dritte im Bunde ist ihr Lehrling. Schaut ihr vor Ort bei der Arbeit auf der Drehscheibe zu!
• 26, place de la Roubine, 07220 Viviers
SERVICE
Radverleih
Association Itinéraires Vivarais
• am Hafen von Viviers, 07220 Viviers, Mobil: 06 16 91 65 28
Hôtel Relais du Vivarais
• 07220 Viviers, Tel. 04 75 52 60 41, www.relaisduvivarais.fr
Gepäcktransport
Âllo Bagage
Richtig entspannt wird die Radtour, wenn ihr nur mit dem Tagesgepäck unterwegs seid – Koffer und Co. transportierten für uns Christian und Michelle von Allô Bagage zwischen Vienne und Pont Saint-Esprit zuverlässig von Ort zu Ort, und immer war schon alles da, als wir eintrafen. Bei Bedarf nehmen sie auch die Räder mit. Das Gepäck wird nach Gewicht abgerechnet, der Radtransport nach Distanz.
• Tel. 06 09 42 23 78 (Christian), Tel. 06 27 54 72 69 (Michelle)
Accueil Vélo
Unterkünfte, die sich verpflichtet haben, radfahrende Gäste freundlich aufzunehmen und entsprechenden Service – Werkzeuge, Abstellplätze, Radreise-Infos – zu bieten, tragen in Frankreich das staatliche Qualitätssiegel accueil vélo.
Weitere Infos
Offizielle ViaRhôna-Seiten: www.viarhona.com
Offizielles Radtourismusportal Frankreichs: www.francevelotourisme.com
Fahrradportal der französischen Bahngesellschaft SNCF: www.sncf.com/fr/services/sncf-velo
Portal des Verbandes für Fahrradrouten und voies vertes (grüne, verkehrsfreie Wege): https://af3v.org
Offizielles Portal der Region: www.rhone-gorges-ardeche.com
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Das ViaRhôna-Special im Blog
Start: Lyon
Etappe 1: Lyon – Vienne – Andancette
Etappe 2: Andancette – Tournon / Tain l’Hermitage
Vor Ort
Purer Genuss an der Rhône: Tain-l’Hermitage
Der Shiraz-Keller von Tain-l’Hermitage
Tournon: Das dürft ihr nicht verpassen!
Etappe 3: Valence – Le Pouzin
Vor Ort
Etappe 4: Le Pouzin – Viviers
Vor Ort
Viviers: das Mittelalter-Idyll
Etappe 5: Viviers – Bourg Saint-Andeol
Vor Ort
Etappe 6: Bourg Saint-Andeol – Avignon
Vor Ort
Etappe 7: Avignon – Tarascon
Vor Ort
Etappe 8: Tarascon – Arles
Vor Ort
Etappe 9: Arles – Mas Vigueirat -Port Saint-Louis du Rhône
Vor Ort
Schöner Genuss
Die Weine der nördlichen Côtes du Rhône
Die Weine der südlichen Côtes du Rhône
Klaus Simon, Hilke Maunder, Secret Places Frankreich*
Eiffelturm, Lavendelfelder und die Schlösser der Loire sind weltbekannte Ziele in Frankreich. 60 wunderschöne Orte abseits des Trubels stellen Klaus Simon und ich in unserem dritten Gemeinschaftswerk vor.
Die Schluchten von Galamus, die Gärten von Marqueyssac, Saint-Guilhelm-le-Désert. Mers-les-Bains, den Bugey oder die Île d’Yeu: Entdeckt unsere lieux insolites voller Frankreich-Flair!
Wer mag, kann den Band hier* online bestellen.
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… auf geht’s zur nächsten Tagesetappe.
Die Sonne begrüßte uns am Morgen und begleitete uns durch den Tag, das tat gut.
Diese Strecke auf der Via Rhôna fand ich besonders schön, da wir fast ganz alleine an der Rhône unterwegs und die Wege in einem sehr guten Zustand waren. Wir fuhren durch eine bunte mit Blumen gespickte und abwechslungsreiche Landschaft. Selbst das Atomkraftwerk von Cruas konnte dem nichts anhaben. Als wir Rochemaure mit den wunderschönen Burgen, die steil am Hang klemmten, sehen konnten, stellte ich mir vor, wie das damalige Leben wohl so war. Nette Streetart verriet uns, das auch das neuzeitliche Leben hier seinen Platz gefunden hat.
Jetzt hatten wir einen neuen Begleiter gefunden, den Mistral. Der blies mittlerweile recht kräftig, bescherte uns dadurch, aber auch den blauen Himmel und das schöne Wetter.
Die Fahrt über die Hängebrücke glich einer kleinen Mutprobe. Der Wind blies kräftig und da es sich um bewegliche Brückenteile handelte, über die man in mindestens 10 Meter Höhe über die Rhône, fuhr ich sehr konzentriert trotz Höhenangst hinüber zum anderen Ufer. Das war ein kleines Abenteuer Modul auf der Route, klasse!
Danach hielt die Via Rhôna wieder viele schöne Eindrücke für uns bereit. Langsam aber sicher, wurde ich eins mit dem Velo.
Diese Art von Fortbewegung hat es mit total angetan und ich dachte nur, weiterfahren und es soll bitte so schnell nicht enden.
Fazit: Wenn die Räder rollen, kann man was erleben.
Die ‚Hängepartie‘ auf der Brücke…. ein toller Kick beim Mistral!!!