ViaRhôna im Test: von Valence nach Le Pouzin
Von Valence nach Le Pouzin: Gemeinsam mit meiner Freundin Claudine habe ich die ViaRhôna getestet, die von Lyon ans Mittelmeer führt.
„Bonjour, was wollt denn ihr Kanarienvögel hier?“ Der Wirt grinst, als er uns am Tresen sieht – mit Regenponcho, feuchten Hosen und sehr kalten Händen. “ Bonjour ! Bitte zwei Cafés zum Aufwärmen. Und ein paar Tipps, wie wir zum Sportboothafen von Epervière kommen.“ Jetzt grinst der Wirt noch mehr.
Wie geht’s raus aus Valence?
Denn genau vor seiner Bar-Tabac war die Asphaltmarkierung verschwunden. Das ViaRhôna-Schild wies nur in die Richtung, aus der wir gerade aus der Innenstadt von Valence gekommen waren.
Bei den Ein- und Ausfahrten von Orten, das hatten wir schon gemerkt, ist auf der ViaRhôna mitunter Spürgeist gefordert.
Der hilfreiche Wirt
„Heute seid ihr die Ersten, die fragen“, antwortet der Wirt. Er drückt uns zwei randvoll gefüllte Tassen in die Hand, die herrlich duften. „Bis zum Kreisel, und dann rechts . Dann seht ihr schon die Brücke über den Fluss. Der Hafen ist davor, mehr Richtung Stadt – aber da braucht ihr nicht hin. Die Saison ist eh vorbei. Und bei diesem Wetter…“
420 Liegeplätze bietet der port de plaisance von Valence, und ist damit nach eigenen Worten die größte Marina am Fluss. Jetzt verschwimmt der Blick aufs Hafenbecken im feuchten Dunst.
Wetterküche im September
Doch der Wind, der uns beim Radeln über die Pont de Mauboule anschiebt, lässt Hoffnung keimen. Kündigt sich etwa der Mistral an? Der die Wolken fortjagt und den Himmel blank putzt? Wenn dabei die Temperaturen sinken sollten, wäre das nicht zu schlimm. Unter dem Regenponcho fühle ich mich wie in der Sauna.
Street Art unter der Straße
Mitten auf der Brücke über die Rhône verläuft die Grenze der Départements Drôme und Ardèche. Am Ende ein Schlenker nach rechts, und wir sind auf der Île Blaud. Wilde Apfelbäume wachsen zwischen hohen Gestrüpp. Schreber aus Valence haben hier ihre Gärten.
In einem großen Bus hinter der Brücke leben Kreative. Mit Sprayern aus der Stadt haben sie die Brückenbögen in eine riesige Open-Air-Galerie mit Street Art, Graffiti und humorvollen Wandbildern verwandelt.
Der Charme von Charmes
Wir strampeln weiter bis Charmes-sur-Rhône. Dort recken sich eine Zypresse und ein Steinturm in die Wolkenberge. Ursprünglich thronte das mittelalterliche Feudalschloss der Familie Crussol über dem Ort. Richelieu ließ es 1624 jedoch niederreißen, um Steine für den Bau des Dorfes zu gewinnen.
Hinein in die alte bourg kommt ihr durch die wehrhafte Porte d’Embroye. Damit ihre Tore nicht mit einem Rammbock aufgestoßen werden konnten, baute man das Stadttor in einer Kurve – clever!
Von dort führt euch der Sentier du Troubadour zu allen sehenswerten Winkeln. Achtung: Das alte Pflaster aus Fluss- und anderen Natursteinen ist bei Nässe fürchterlich glatt!
Das Atelier von Anne
Hinter einer Holztür in der Rue du Péage 28 arbeitet Anne Grenier. Aus Gips gestaltet sie Büsten, die sie mit Muscheln, Schlüsseln, Stoff oder anderen Materialien zu Kunstwerken gestaltet.

Sie formt Köpfe aus Ton, deren Antlitz ganz und gar mit Linien überzogen ist. „Meine kunstvolle Interpretation der Skarifizierung“, erklärt Anne lachend. In Afrika, vor allem im Sudan, Tschad und Angola, haben die Stämme seit Jahrtausenden ihre Gesichter so mit Ziernarben geschmückt.
Die Liebe zur Kunst, erzählt sie beim Atelierbesuch, wurde ihr in die Wiege gelegt. 1966 in Tain-l’Hermitage hineingeboren in eine Familie, die „schon immer“ Kunst sammelte, kam sie in ihrer Jugend so mit Künstlern wie Elvire Jan, Alfred Mannessier und Jean René Bazaine in Berührung.
Diese bestärkten Anne in ihrem Wunsch, als Künstlerin zu arbeiten. „Zuerst habe ich viel gemalt. Jetzt widme ich mich ganz und gar den Plastiken.“
La sculpture est ma langage premier.
Als wir ihr Atelier verlassen, reißt für einige Minuten der Himmel auf. Sollen wir noch einmal zurück in den alten Dorfkern? Neue Fotos machen?
Doch es ist schon recht spät. Wir treten in die Pedale. Und streifen uns fünf Minuten später wieder die Regen-Capes über. Der Mistral ist stärker geworden.
Kräftig bläst er aus Nord. Mal mit Regentropfen versetzt, mal trocken, schiebt er uns weiter gen Süden.
Wir sausen vorbei an Beauchastel mit seinem malerischen bourg und seinem Rhône-Kraftwerk und freuen uns, dass der Radweg im Grünen verläuft.
Wir überqueren den Eyrieux und wechseln in La Voulte-sur-Rhône wieder das Rhône-Ufer. Unsere Regen-Capes blähen sich im Wind. Zwei gelbe Kanarienvögel im Gewittergrau. Die eintauchen in eine völlig andere Welt.

Île de Printegarde: Dschungel auf der Insel
Jahrhunderte lang war die Rhône hier ein besonders gefährliches Gewässer. Die Passage war für den Fährmann wie auch die Gäste Abenteuer und Herausforderung zugleich.
“ Prends-toi garde „ sagte man damals. So erhielt die Flussinsel Printegarde ihren Namen. Heute durchzieht heute ein 14 Kilometer langer Naturpfad für Fußgänger und Radfahrer ihren amphibischer Dschungel.
Haubentaucher und Stockenten leben in dieser mystischen Welt in Grün. Im glasklaren Wasser wiegt sich Flussgras in der Strömung. Eine Schwanenparade gleitet vorbei, dann eine einsame Feder.
Was für ein Schauspiel der Natur! Stundenlang könnte ich am Ufer hocken und diesem friedlichen Lauf der Welt zuschauen.
Inmitten dieser Urnatur entdecken wir nach einer versteckten Kurve zwei große Schleusentore weitab vom heutigen Strom.
Wie hoch die Pegelstände in den letzten Jahrhunderten waren, und welche Wassermengen flussabwärts geströmt sind, verrät am südlichen Ausgang des Naturschutzgebietes ein Flutmarker. Die Höchstmarke erreicht weit mehr als zwei Meter.
Le Pouzin: Das Haus von Jeanne
Wir überqueren die Drôme, und radeln am linken Ufer, begleitet von Maisfeldern, bis zur Brücke, die uns zurück ans rechte Ufer nach Le Pouzin bringt.
Accueil Vélo, verrät das Schild an der Fassade der Maison Jeanne. Christine und Dominique haben ihr Heim als Unterkunft für Radwanderer und andere Reisende umgewandelt.
Im Erdgeschoss findet ihr ein geräumiges chambre d’hôte, im ersten Stock eine Ferienwohnung für Familien oder kleine Gruppen.
Das Beste aus Ardèche
Im Hof schnattert des Federvieh. Zwischen Büschen und Blüten lugt eine Holzbank mit Schwanenköpfen hervor. Angekommen. Und gleich wird beim table d’hôte gemeinsam gegessen. „Alles, was auf den Tisch kommt, stammt aus unserem Garten, von unseren Tieren, oder aus der Ardèche“, erzählen unsere Gastgeber.
Zum Auftakt servieren sie eine ardoise Ardèche, ein Schieferbrett mit köstlicher charcuterie, Schinken und Käse aus der Region.
Meine Reisetipps
CHARMES-SUR-RHôNE
Schlafen und schlemmen
Le Carré d’Alethius
Außen Natursteinmauern, drinnen Pink, Froschgrün, Schokobraun und helles Grau: Gastgeber und Sternekoch Olivier Samin liebt das Spiel mit Gegensätzen und Überraschungen. Nicht nur bei der Inneneinrichtung der Zimmer und des Restaurants, sondern auch auf der Karte, die saisonal wechselt.
• 4, rue Paul Bertois, 07800 Charmes-sur-Rhône, Tel. 04 75 78 30 52, www.lecarredalethius.com
Coole Kunst
Anne Grenier
Die Künstlerin öffnet Besuchern gerne ihr Atelier. Ruft bitte vorher an!
• 28, rue du Péage, 07800 Charmes-sur-Rhône, Tel. 06 77 04 52 17, www.annegrenier.com
LE POUZIN
Schlafen & schlemmen
La Maison Jeanne
In ihrem Bürgerhaus von 1870 werdet ihr euch bestimmt wohlfühlen. E-Bikes können in der Garage direkt am Akku aufgeladen werden. Das umständliche Rausnehmen der Batterie ist nicht nötig. An warmen Tagen schön: das Schwimmbecken im 1000 qm großen Garten. Er endet am Gehege für das Federvieh. Dominique ist stolz auf die vielen Arten, die dort leben.
• 11, rue de la République, 07250 Le Pouzin, Tel 06 84 37 76 19
SERVICE
Âllo Bagage
Richtig entspannt wird die Radtour, wenn ihr nur mit Tagesgepäck unterwegs seid. Koffer und Co. transportierten für uns Christian und Michelle von Allô Bagage zwischen Vienne und Pont Saint-Esprit von Ort zu Ort. Es waren immer schon da, als wir in der nächsten Unterkunft eintrafen. Bei Bedarf nehmen sie auch die Räder mit! Das Gepäck wird nach Gewicht abgerechnet, der Radtransport nach Distanz.
• Tel. 06 09 42 23 78 (Christian), Tel. 06 27 54 72 69 (Michelle)
Accueil Vélo
Unterkünfte, die sich verpflichtet haben, radfahrende Gäste freundlich aufzunehmen, tragen in Frankreich das staatliche Qualitätssiegel accueil vélo. Sie bieten meist auch Service an – Werkzeuge, Abstellplätze und Radreise-Infos.
Weitere Infos
Offizielle ViaRhôna-Seiten: www.viarhona.com
Offizielles Radtourismusportal Frankreichs: www.francevelotourisme.com
Fahrradportal der französischen Bahngesellschaft SNCF: www.sncf.com/fr/services/sncf-velo
Portal des Verbandes für Fahrradrouten und voies vertes (grüne, verkehrsfreie Wege): https://af3v.org
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Das ViaRhôna-Special im Blog
Start: Lyon
Etappe 1: Lyon – Vienne – Andancette
Etappe 2: Andancette – Tournon / Tain l’Hermitage
Vor Ort
Purer Genuss an der Rhône: Tain-l’Hermitage
Der Shiraz-Keller von Tain-l’Hermitage
Tournon: Das dürft ihr nicht verpassen!
Etappe 3: Valence – Le Pouzin
Vor Ort
Etappe 4: Le Pouzin – Viviers
Vor Ort
Viviers: das Mittelalter-Idyll
Etappe 5: Viviers – Bourg Saint-Andeol
Vor Ort
Etappe 6: Bourg Saint-Andeol – Avignon
Vor Ort
Etappe 7: Avignon – Tarascon
Vor Ort
Etappe 8: Tarascon – Arles
Vor Ort
Etappe 9: Arles – Mas Vigueirat -Port Saint-Louis du Rhône
Vor Ort
Schöner Genuss
Die Weine der nördlichen Côtes du Rhône
Die Weine der südlichen Côtes du Rhône
Im Buch
Klaus Simon, Hilke Maunder, Roadtrips Frankreich*
Das zweite gemeinsame Werk mit Klaus Simon stellt euch die schönsten Traumstraßen zwischen Normandie und Côte d’Azur vor. 14 Strecken sind es – berühmte wie die Route Napoléon durch die Alpen oder die Route des Cols durch die Pyrenäen, aber auch echte Entdeckerreisen wie die Rundtour durch meine Wahlheimat, dem Fenouillèdes.
Von der Normandie zur Auvergne, vom Baskenland hin zu den Stränden der Bretagne und dem wunderschönen Loiretal laden unsere Tourenpläne ein, Frankreich mobil zu entdecken – per Motorrad, im Auto, Caravan oder Wohnmobil. Hier* gibt es das Fahrtenbuch für Frankreich!
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Vielen Dank für die Aktualisierung. Die Via Rhôna ist sehr abwechslungsreich und bietet viel Interessantes am Wegesrand, das zu entdecken gilt. 🚲!
… diese Etappe war wieder von besonderen Momenten durchzogen. Nachdem wir „Kanarienvögel“ uns auf den Weg gemacht hatten und wieder auf der VIa Rhôna befunden haben, hatte der Fluss mit seinen üppig bewachsenen Ufern uns wieder komplett eingenommen. Diese Ruhe, ab und zu fuhren ein paar gleichgesinnte Velo Fahrer an uns vorbei, man grüßte sich nett (das macht man so unter Velo Fahrern), wünschte sich weiterhiin Bon Voyage und konzenrierte sich wieder auf den eigenen Weg. Die mittlerweile gelernte Beschilderung der Via Rhôna ließ es zu, dass wir bei Abzweigungen und Wegänderungen ohne große Überlegungen der Streckenführung folgen konnten. Überhaupt waren wir ab jetzt so richtig im „Velo Rhytmus“ angekommen und wir konnten uns auf dem Weg einfach treiben lassen. Ganz besonder sschön, war es durch die Île de Blaud zu radeln. Kein Auto, keine Ampel auf die wir achten mussten, so macht Velo fahren Spaß.
Fazit: Solche Strecken sind Erholung pur für Körper, Geist und Seele…