ViaRhôna im Test: Boat & Bike mit MS KIWI
Boat & Bike mit MS Kiwi: Gemeinsam mit meiner Freundin Claudine habe ich die ViaRhôna getestet, die von Lyon ans Mittelmeer führt.
Als die Marquise von Sévigné (1626 – 1696) auf einer ihrer vielen Fahrten in den Süden wieder einmal die Rhône hinab reiste, um ihre Tochter in Grignan zu besuchen, lief ihr kleines Boot bei Gervans auf dem Table de Roy auf, einem kleinen Felsen mitten im Fluss.
Der Fährmann rettete die berühmte Briefeschreiberin. Sie erholte sich bei Maître Berger, einem königlichen Notar, der ein sehr elegantes Stadthaus dicht am Ufer in Tain L’Hermitage besaß.
Morgens beim Frühstück lese ich diese Anekdote im Reiseführer. Draußen jagen sich wieder die Wolken am Himmel, lassen sichtbar ihre Muskeln zucken – oder machen sich dünn, geradezu schmal, wenn der Wind durch sie jagt. Unser heutiges Programm: Boat & Bike mit der Compagnie des Canotiers.
Sonnenkraft für den Salzkahn
Unser Gefährt: die einzige sapine, die heute noch die Rhône befährt, aus Lärchenholz nach Vorbild der traditionsreichen Flussschiffe in Österreich nachgebaut. Zur Jungfernfahrt ging es für MS KIWI auf die Donau. Passau – Linz war die Teststrecke fürs Boot.
Bernard Spitz und Véronique Ropp, zwei Innenarchitekten, wagten damit Mitte 50 noch einmal etwas Neues und gehen nur noch im Winter ihrem alten Beruf nach. Den Sommer verbringen sie jetzt auf dem Wasser. Mit flinker Hand hat Bernard die Leinen der MS KIWI gelöst.
Véronique startet fast unhörbar die Maschine. Leise treibt Sonnenstrom der vier Paneele auf dem Dach die Schraube an – sowie Kaffeemaschine und Kühlschrank hinter dem Steuerstand. “ Thé 1.50 €, Café 1.50 € „, verrät eine kleine Schiefertafel.
Vorne ist das Heck so platt, dass es auf jeden Strand, jeden Hang am Ufer einfach hinauf rutschen kann. In Tournon jedoch haben Véronique und Bertrand ihr Flussschiff am Kai festgemacht.
Zwölf Fahrräder können sie maximal pro Törn mitnehmen. Je nach Nachfrage starten sie in Lyon, in Avignon. Oder, wie diesmal, in Tournon.
Früher wurde ihre sapine getreidelt. Menschen und Tiere zogen die Schiff, schwer beladen mit Salz aus der Camargue, von Aigues-Mortes bis Mâcon von Land aus den Fluss hinauf.
Mit dem Aufkommen der PLM, der Eisenbahnlinie Paris-Lyon-Marseille, endete um 1860 die Blütezeit der Flussschifffahrt.
Skipper für fünf Minuten
In der Fahrrinne übergibt Véronique uns das Steuer. „Ist ganz einfach. Fahrt immer nur genau innerhalb der Markierungen. Backbord ist in Fahrtrichtung links mit einer roten Laterne gekennzeichnet, Steuerbord ist rechts und grün.“ Das Wetter hat sich etwas beruhigt.
Wir übernehmen gerne. Wie in Zeitlupe scheinen wir vorwärts zu kommen. Alle Geräusche von Land sind verschwunden. Ein Kormoran flüchtet ins Ufergehölz, als er uns kommen sieht.
Dann taucht ein Binnenschiff hinter uns auf, sprintet vorbei, ist gehüllt in den morgendlichen Dunst, der Himmel und Erde, Wasser und Land verschwimmen lässt.
Als wir uns La Roche-de-Glun nähern, sind die Gewitterwolken einem Himmelszelt im Einheitsgrau gewichen. Zum Anlegen dreht Bernard die Musik laut auf: Was für ein Finale für die ViaRhôna auf dem Wasser!
Parallel zur legendären Route Nationale 7 und zur Autobahn, von denen wir beide nichts bemerken, strampeln wir am linken Ufer der Rhône hin zu einem Ort, der genau auf dem 45. Breitengrad liegt, und damit genau auf der Mitte von Nordpol und Äquator.
Die Sterne des 45. Breitengrades
Genau hier hätte für mich an diesem Tag die Reise für heute eigentlich schon enden können: in Pont de l’Isère. In diesem 3.200-Einwohner-Örtchen an der antiken Via Agrippa. Heute pendeln viele Bewohner von hier aus nach Valence zur Arbeit. Ein Ort, ganz nett, aber ohne große Sehenswürdigkeiten. Was wollen sie hier? Was lockt sie?
Michel Chabran ist hier daheim! Und damit ein Zweisternekoch, der bodenständige Klassiker aufs Köstlichste modern interpretiert – ravioles aus der Drôme, je nach Saison mit jungem Spinat oder Trüffelsplittern gefüllt, millefeuille mit Provence-Gemüse oder zartes Zicklein mit Estragongelee. Die Weinkarte ist genauso verführerisch. Sie umfasst alles, was im Rhônetal Rang und Namen hat.
Der Herbst kündigt sich an
Doch Claudia strampelt schnurstracks weiter, überquert die Isère und bemerkt nichts von meinen kulinarischen Tagträumereien. Und ich, die ich kaum die Landschaft beim Träumen wahrgenommen habe, stehe jetzt mitten in der Blüten- und Blätterpracht der ersten Herbsttage.
Knallig leuchten Hagebutten zwischen lila Sommerflieder. Weiß heben sich Blütenstände vor Blättern in Gelb, Gold und Rot ab. In einem Seitenarm der Rhône wiegt sich das Seegras. Flechten und Moose haben Borke und Fels erobert.
Auf Abwegen nach Valence
In Bourg-lès-Valence sehen wir den ersten Vorposten der nahen Großstadt: ein weiteres imposantes Wasserkraftwerk der Compagnie Nationale du Rhône.
Der Verkehr bleibt uns zunächst fern. Wir radeln auf einem ruhigen Radweg direkt am Rhôneufer weiter gen Süden.
Einige Kilometer später werden Radweg und Autostraße zwar parallel geführt, aber deutlich voneinander getrennt. Dann begehen wir den zweiten großen Fehler unserer Radtour.
Gewarnt von Unkenrufen, die Einfahrt nach Valence sei verkehrsmäßig auf der ViaRhôna der Horror, lassen wir uns von meiner Handy-App Waze führen. Sonst leistet sie immer sehr gute Dienste. Doch hier landen wir prompt im dichtesten Stadtverkehr.
Valence entdeckten wir daher zu Fuß. Unser Führer war ein ehrenamtlicher Greeter. Mehr zur kostenlosen City-Tour, die auch ihr mit Albert erleben könnt, erfahrt ihr hier.
Meine Reisetipps
TOURNON
Boot & Bike mit MS KIWI
Compagnie des Canotiers
Bernard Spitz und seine Frau Véronique nehmen auf Rhône und Saône mit ihrer sapine KIWI auch Radfahrer samt Rad und Gepäck mit – von Tournon nach La Roche-de-Glun und Valence, aber auch von Lyon aus und Avignon.
• Tel. 06 86 50 73 12 (Bernard), www.canotiersboatnbike.com
LA ROCHE-DE-GLUN
Schlafen & schlemmen
La Guinguette du Rhône
Froschschenkel, Zanderfilet, Ente oder caillettes: Worauf habt ihr Appetit? Es ist einfach herrlich, hier zu schönen Zeit mit Blick auf den Lac des Muzard zu speisen!
• Quai Saint-Georges, 26600 La Roche-de-Glun, Tel. 07 56 43 25 38, www.facebook.com/LaGuinguetteDuRhone, Mi.-So.
PONT-DE-L’ISERE
Schlafen & schlemmen
Michel Chabran
Warum nur zwei Sterne? Über Michel sollten 1000 Sterne funkeln. Er hat nicht nur ein unglaubliches Gespür für Aromen, sondern auch für Ambiente. Selten ist Gourmetküche so entspannt gemütlich!
• 29, avenue du 45 Ème Parallèle, 26600 Pont-de-l’Isère, Tel. 04 75 84 60 09, https://michelchabran.com
VALENCE
Schlafen
Hôtel Les Négociants
Top zentral gelegenes Zweisternehaus (nahe Bahnhof und Innenstadt) mit kleinen, recht komfortablen und ruhigen Kammern und Fahrradaufbewahrung – für Gruppen im Schuppen (300m), für Einzelgäste im Keller hinter den Waschräumen.
• 27, Avenue Pierre Semard, 26000 Valence, Tel.04 75 44 01 86, www.hotel-les-negociants.com
Schlemmen
Patisserie Nivon
Pognes und suisses sind die beiden legendären Backwerke, für die Valence berühmt ist – keine bäckt sie so gut wie Nivon!
17, avenue Pierre Semard, 26000 Valence, Tel. 04 75 44 03 37, www.facebook.com/maisonnivon
Georges
Feinkostladen und Traiteur mit Spezialitäten aus Armenien und dem Libanon
• 12, Grande Rue, 26000 Valence, Tel. 04 75 60 93 98, https://traiteur-georges-valence.eatbu.com
Le Bistro des Clercs
Im Sommer stellt Laetitia, die für Michel Chabran das gemütliche Traditionsbistro führt, die Tische nach draußen auf den Platz der Fontaine Bonaparte. Im Winter serviert sie unter Kugelleuchten an Holztischen bodenständig-raffinierte Regionalküche, die auch das Herz wärmt. Ohne ein Loch ins Budget zu reißen.
• 48, Grande Rue, 26000 Valence, Tel. 04 75 55 55 15, www.chabran.com
L’Excuse
Ein sehr charmantes Wein-Bistro! Bitte checkt aber vorher die Adresse, der Inhaber will vielleicht den Standort wechseln – was schade wäre!
• 3, place de l’Université, 26000 Valence, Tel. 04 75 55 28 47, mobil 06 12 89 89 49, www.facebook.com
La Table des Jeannes
Bei uns heißen alle Jeanne – seit drei Generationen“, lacht Cécile Bouet (50), die mit ihrer Partnerin das sympathische Lokal in einer Seitenstraße des Zentrums führt, und stellt hausgemachte caillette auf den Tisch, Hackknödel mit Spinat und Kräutern, zu denen es Mini-Ravioli gibt, die in der Drôme ravioles heißen.
• 17, rue Général Farre, 26000 Valence, Tel. 04 75 55 00 90, www.facebook.com/La-Table-des-Jeannes
André
Das familiäre Bistro der Dreisterneköchin Anne-Sophie Pic erinnert mit seinem Namen an ihren Vater. Die Gästebucheinträge zu dessen Lokal schmücken die Toilette.
• 285, avenue Victor Hugo, 26000 Valence, Tel. 04 75 44 53 86, https://anne-sophie-pic.com
SERVICE
Carbone Zero
Fahrradhandel, -werkstatt und -verleih von zwei jungen Einheimischen, die selbst begeisterte – und überzeugte – Radfahrer sind: Valence Brice Roux und François-Xavier Dauphin.
• 24, rue Denis Papin, 26000 Valence, Tel. 04 75 56 99 06, https://carbone-zero.fr
Âllo Bagage
Richtig entspannt wird die Radtour, wenn ihr nur mit dem Tagesgepäck unterwegs seid. Koffer und Co. transportierten für uns Christian und Michelle von Allô Bagage zwischen Vienne und Pont Saint-Esprit zuverlässig von Ort zu Ort, und immer war schon alles da, als wir eintrafen. Bei Bedarf nehmen sie auch die Räder mit! Das Gepäck wird nach Gewicht abgerechnet, der Radtransport nach Distanz.
• Tel. 06 09 42 23 78 (Christian), Tel. 06 27 54 72 69 (Michelle)
Accueil Vélo
Unterkünfte, die sich verpflichtet haben, radfahrende Gäste freundlich aufzunehmen und entsprechenden Service – Werkzeuge, Abstellplätze, Radreise-Infos – zu bieten, tragen in Frankreich das staatliche Qualitätssiegel „Accueil Vélo“.
Weitere Infos
Offizielle ViaRhôna-Seiten: www.viarhona.com
Offizielles Radtourismusportal Frankreichs: www.francevelotourisme.com
Fahrradportal der französischen Bahngesellschaft SNCF: www.sncf.com
Portal des Verbandes für Fahrradrouten und Voies Vertes (grüne, verkehrsfreie Wege): https://af3v.org
Gefällt Dir der Beitrag? Dann sag merci mit einem virtuellen Trinkgeld.
Denn nervige Banner oder sonstige Werbung sind für mich tabu.
Ich setze auf Follower Power. So, wie Wikipedia das freie Wissen finanziert.
Unterstütze den Blog! Per Banküberweisung. Oder via PayPal.
Weiterlesen
Das ViaRhôna-Special im Blog
Start: Lyon
Etappe 1: Lyon – Vienne – Andancette
Etappe 2: Andancette – Tournon / Tain l’Hermitage
Vor Ort
Purer Genuss an der Rhône: Tain-l’Hermitage
Der Shiraz-Keller von Tain-l’Hermitage
Tournon: Das dürft ihr nicht verpassen!
Etappe 3: Valence – Le Pouzin
Vor Ort
Etappe 4: Le Pouzin – Viviers
Vor Ort
Viviers: das Mittelalter-Idyll
Etappe 5: Viviers – Bourg Saint-Andeol
Vor Ort
Etappe 6: Bourg Saint-Andeol – Avignon
Vor Ort
Etappe 7: Avignon – Tarascon
Vor Ort
Etappe 8: Tarascon – Arles
Vor Ort
Etappe 9: Arles – Mas Vigueirat -Port Saint-Louis du Rhône
Vor Ort
Schöner Genuss
Die Weine der nördlichen Côtes du Rhône
Die Weine der südlichen Côtes du Rhône
Im Buch
Klaus Simon, Hilke Maunder, Secret Citys Frankreich*
Gemeinsam mit meinem geschätzten Kollegen Klaus Simon stelle ich in diesem Band 60 Orte in Frankreich vor, die echte Perlen abseits des touristischen Mainstreams sind. Le Malzieu in der Lozère, Langogne im Massif Central, aber auch Dax, das den meisten wohl nur als Kurort bekannt ist.
Mit dabei sind auch Senlis, eine filmreife Stadt im Norden von Frankreich, und viele andere tolle Destinationen. Frankreich für Kenner – und Neugierige!
Lasst euch zu neuen Entdeckungen inspirieren … oder träumt euch dorthin beim Blättern im Sessel oder am Kamin. Wer mag, kann das Lesebuch mit schönen Bildern hier* bestellen.
* Durch den Kauf über den Partner-Link, den ein Sternchen markiert, kannst Du diesen Blog unterstützen und werbefrei halten. Für Dich entstehen keine Mehrkosten. Ganz herzlichen Dank – merci !
… wir hatten Glück an dem Tag und konnten die Etappe auf der „sapine“ Kiwi von Véronique und Bernard Spitz mit einer kleinen Tour auf dem Wasser starten.. Wir wurden sehr freundlich in Empfang genommen und stellten schnell fest, das wir die einzigen Fahrgäste auf dieser Fahrt sein werden. Das langsame fast geräuschlose Gleiten auf der Rhône auf dem schönen Holzschiff fühlte sich sehr gut an. Als wir dann ans Ruder durften, kamen schnell die Erinnerungen unserer Hausboot Tour auf dem Canal du Midi wieder auf…! Der Blick vom Fluss auf die Ufer, auf der einen Seite die Weinberge von St.Joseph und auf der anderen, die der Hermitage waren beeindruckend. Der Flusslauf hat dort eine stattliche Breite. In der Natur mit dem Blick auf die Weite der Natur, das
ließ ein Gefühl von Freiheit aufkommen, dabei waren wir gerade erst losgefahren… Der Tag hielt noch viele weitere und schöne Momente auf der Via Rhôna für uns bereit.
Fazit: Einfach mal den Radweg für ein kurzes Stück auf der Rhône zurücklegen.
Die Bootsfahrt war wirklich ein Highlight! Ich wäre gerne noch weiter die Rhône stromabwärts geschippert…